Nur 125 Tage nach der ersten Idee eine "Großen Anfrage" erstmals in Deutschland via offenen Beteiligungsverfahren durchzuführen, war es am 08. Februar 2012 so weit: Die Hamburgische Bürgerschaft diskutierte die Anfrage und die Antworten des Senats in ihrer 25. Sitzung.
Kersten Artus, Die LINKE. |
Unter Tagesordnungspunkt 5 hatte die Bürgerschaftsraktion Die LINKE. die Große Anfrage zur Debatte in der Sitzung angemeldet. Unseres Wissens nach das erste Mal, dass über zentrale Fragen von Bürgerbeteiligung, Open Data, ePartizipation und Social Media in dieser Breite in einem Landesparlament diskutiert wurde.
Die Darstellung der kompletten Prozesses des Beteiligungsverfahrens finden Sie hier.
Die Reden
Zur vollständigen Dokumentation der Debatte habe ich alle Reden zusammengetragen und fasse diese kurz in eigenen Worten unter dem jeweiligen YouTube-Video zusammen.
1. Kersten Artus, Medienpolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE.
Zusammenfassung: Nach kurzer Vorstellung der Großen Anfrage und des offenen Beteiligungsverfahren kritisiert Artus, das zwar 63% der Hamburger in sozialen Netzwerken aktiv sind, die Verwaltung bisher aber noch keine Strategie für die Nutzung dieses Kanals entwickelt hat.
Zudem sind keine Ziele und keine Zielgruppen definiert und es gibt keine zentrale Koordinierung der Aktivitäten im Senat. Vielmehr sind vier Stellen verantwortlich.
2. Hansjörg Schmidt, Medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Zusammenfassung: Hansjörg Schmidt stellt zu Beginn fest, dass das Internet politischer geworden ist und man dieses für neue Beteiligungsformen und Bürgerdialog nutzen sollte. Allerdings ist Social Media so volatil, dass der Hamburger Senat keine Strategie hierfür benötigt.
Vielmehr macht der Senat bisher alles komplett richtig und ist auf einem guten Weg in Sachen Bürgerdialog, Beteiligung und Social Media. Sollte der Senat und die Senatoren keine Lust auf Social Media haben, sollten sie diese Instrumente auch nicht nutzen. Experimente in Sachen Social-Media sollten aber erlaubt sein und auch scheitern dürfen.
Innensenator Michael Naumann ist das beste Beispiel, wie man erfolgreichen Bürgerdialog über das Internet gestaltet. Er hat einen Blog. Der Senator könnte den Senat auch mal erklären wie Bürgerdialog funktioniert.
3. Andreas C. Wankum, Medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion
[Dieses Video war in deinem Bundesland Hamburg leider nicht verfügbar!]
[Dieses Video war in deinem Bundesland Hamburg leider nicht verfügbar!]
Zusammenfassung: Für Andreas C. Wankum ist der Einsatz von Social Media kein Selbstzweck, denn Social Media führt zu unsozialem Verhalten und - wie neue Studien belegen - machen soziale Netzwerke schneller süchtiger als Alkohol und Tabak. Die Suchtgefahr ist allgemein zu hoch.
Die Schulungen der Verwaltungensmitarbeiter zum Thema Social Media sollten zu einer Pflicht werden und müssen stark ausgebaut werden. Noch ist das zu wenig, was bisher an Weiterbildungen angeboten wird.
Die Stadt Hamburg steht beim Thema Bürgerbeteiligung noch am Anfang, deshalb sollte man erst 2013 frühestens wieder darüber reden. Der Senat soll so weiter machen, wie bisher. Alles gut so!
4. Farid Müller, Medienpolitischer Sprecher der GAL-Fraktion
Zusammenfassung: Farid Müller findet es grundsätzlich gut, dass das Thema mal in dieser Breite im Parlament diskutiert wird, Dank an die LINKE. für die Initiative.
Der Senat benötigt unbedingt ein politisches Konzept für Social Media und Bürgerbeteiligung, Social Media Guidelines allein reichen nicht.
Müller kristisiert zudem die Kooperation mit der Axel Springer AG beim Stadtportal hamburg.de und bei der Facebookseite. Profile sollten nicht in privater Hand sein, aber können gerne von privaten Anbietern betrieben werden.
Die Möglichkeiten von Bürgerbeteiligung gerade über die Hamburger Facebookseite sollten besser genutzt werden.
5. Katja Suding, Fraktionsvorsitzende FDP-Fraktion
Zusammenfassung: Überraschenderweise sprach die Fraktionsvorsitzende selber und nicht der Fachsprecher Finn-Ole Ritter. Das Thema wurde aufgrund der übergeordneten Wichtigkeit in der Fraktionsspitze aufgehangen.
Nach Ansicht von Katja Suding bieten die Antworten des Senats leider nicht sehr viele Erkenntnisse. Das Potential von Social Media ist in der Hambuirger Verwaltung bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Behörden haben noch viel Arbeit vor sich. Die Kompetenz in der Verwaltung muss noch eherblich erhöht werden z.B. durch ein besseres und umfangreicheres Angebot an Schulungen.
Social Media kann Verwaltung noch effizienter und bürgernäher machen. Aber Verwaltung sollte nicht jeden Trend mitmachen. Am Ende noch ein seltenes Lob für die Arbeit der Finanzbehörde bei diesem Thema.
6. Kersten Artus, Medienpolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE. - Zweiter Redebeitrag
Zusammenfassung: Artus dankt allen Rednern für die konstruktive Debatte.
Laut einer aktuellen forsa-Umfrage erwarten 71% der Bundesbürger, dass die Zufriedenheit mit der Verwaltung steigt, wenn es zusätzliche Kontaktmöglichkeiten via Internet und sozialen Netzwerken geben würde.
In einem Jahr wird Die LINKE. an dieser Stelle die Ergebnisse der Bemühungen des Senats in Sachen Bürgerbeteiligung evaluieren und wieder in der Bürgerschaft debattieren.
Überweisung
Mit den Stimmen der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion wurde die Überweisung in die Ausschüsse und damit eine weitere Diskussion über Bürgerbeteiligung, Bürgerdialog und Socia Media in der Hamburger Verwaltung abgelehnt.
Fazit
Als Mit-Initiator der "Großen Anfrage für Alle" hat es mich sehr gefreut, dass erstmals im Hamburger Landesparlament breit über die Chancen und Potentiale von Bürgerbeteiligung off- und online diskutiert wurde. Erfreulich, dass alle Fraktionen das Potential von Social Media für den Bürgerdialog erkannt haben und die Verwaltung weiter auf ihrem Weg zu mehr Bürgernähe unterstützen wollen.
Von der Regierungsfraktion SPD hätte ich allerdings eine noch stärkere politische Unterstützung der Verwaltung erwartet. Etwa durch die klare Benennung eines im Senat verantwortlichen Senators - bestenfalls durch die Ansiedlung des Themas in der Senatskanzlei und beim Social-Media-Bürgermeisters Olaf Scholz. Auch die Formulierung einer Strategie würde das Thema weiter voranbringen. Dabei geht es nicht um die Auswahl von Netzwerken und Kanälen, sondern der grundlegenden Antwort auf die Frage: Wie will die Stadt Hamburg Bürgerbeteiligung in Zukunft übergreifend angehen und wie können Bürger mit der Verwaltung Lösungen für die Zukunft der Stadt erarbeiten.
Der von fast allen Fraktionen geforderte Ausbau der Weiterbildung der über 60.000 Verwaltungs- angestellten ist ein richtiger Schritt für den erfolgreichen Kulturwandel.
Kooperationspartner dieses Beteiligungsprojektes "Große Anfrage für Alle" sind:
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