Wahlbeobachter in den Medien

Donnerstag, 1. März 2012

Studie: Nutzung von Social Media in den Hamburger Parteien

Ende des vergangenen Jahres beschäftigte sich ja bereits die Wissenschaft mit diesem kleinen Blog aus der Hansestadt. Damals stellte Prof. Thomas Horky in einer Studie über "partizipativen Journalismus im Superwahljahr 2011" fest:
"Es gebe allerdings Blogs, die durchaus zu einer breiteren Öffentlichkeit durchdringen würden, etwa "Lummaland" oder der "Wahlbeobachter", beide aus Hamburg."  Quelle: politik&kommunikation Oktober 2010

Daran anknüpfend hat sich die Journalistikstudentin Pia Gurgel von der macromedia hochschule Hamburg nun in ihrer Bachelorarbeit einmal genauer mit der Kommunikation der Hamburger Parteien in den sozialen Netzwerken beschäftigt.

Ende Februar beendete sie ihre Arbeit mit dem Titel:

"Politik im World Wide Web: Ort der unbegrenzten Möglichkeiten oder große Flaute?
Politiker und Parteien zwischen On- und Offline-Wahlkampf - Analyse am Beispiel der Wahlkämpfe zur Bundestagswahl 2009, den Landtagswahlen 2011 sowie ein perspektivischer Ausblick auf Basis von Experteninterviews."

Als einer der interviewten Experten habe ich mich sehr gefreut, dass sich nun auch die Wissenschaft mit den Themen meines Blogs beschäftigt.

Da die Arbeit in der vorliegenden Form leider nicht veröffentlicht werden soll, habe ich mal einige zentrale Erkenntnisse zusammengetragen:


I. Nutzung von Social Media in der Hamburger Politik
Die Hamburger Parteien nutzen die ihnen durch die sozialen Netzwerke zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Bürgerdialog bisher noch unzureichend. Das Potential wird bisher nur unzureichend ausgeschöpft (Seite 35)

Für die überwiegende Mehrheit der Parteien und Abgeordneten besteht ein klarer Handlungsbedarf zur Verbesserung ihrer Kommunikation via Social-Media (Seite 43)

Die Hamburger Parteien würden gerne mehr im Bereich der sozialen Netzwerke machen und ausprobieren, es fehlt Ihnen schlicht an den personellen Ressourcen (Seite 44)
Grundsätzlich bieten sich vorallem zwei Angebote für die politische Kommunikation im Internet an: Blogs und soziale Netzwerke (Seite 12)    


II. Nutzen von Social Media für die Politik
Die Wissenschaft geht davon aus, dass Blogger die über gesellschaftliche Themen schreiben, insgesamt einen stärken werden Einfluß auf die Berichterstattung der klassischen Medien haben (Seite 13)
Der Bürgerschaftsabgeordnete Finn-Ole Ritter (FDP) geht davon aus, dass er rund 50% seiner Stimmen bei der letzten Bürgerschaftswahl durch den Wahlkampf im Internet und auf den Social Media-Plattformen erzielt hat (Seite 40)
Gute Social-Media-Arbeit garantiert nicht unbedingt mehr Wählerstimmen, es geht vielmehr um die kontinierliche und langfristige Pflege der Beziehungen zu den Wählern und Sympathisanten. (Seite 46)

Alle Hamburger Parteien bekommen auf ihre Postings in den sozialen Netzwerken viele oder sehr viele Reaktionen - einzige Ausnahme die CDU. Reaktionen erhalten die Parteien vorallem bei "meinungspolarisierenden Themen" (Seite 34)

III. Einsatz von Social Media in der täglichen Praxis 
Alle Hamburger Parteien posten fast täglich in den sozialen Netzwerken - einzige Ausnahme die CDU (Seite 32f.)

Bei SPD, CDU und FDP ist jeweils 1 Mitarbeiter für die Kommunikation in den sozialen Netzwerken verantwortlich, bei der GAL 4 Personen, diese aber nur nebenbei und auch bei den Piraten sind mehrere Parteimitglieder für die Bespielung der Social-Media-Kanäle verantwortlich (Seite 33) 

Abbildung Pia Gurgel, Seite 33.
Der klassische Wahlkampf wird auch weiterhin eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen, wie der Online-Wahlkampf und weiter mitentscheidend sein für den Wahlausgang (Seite 46)
Internetpräsenzen und Profile in den sozialen Netzwerken müssen auch nach dem Wahlkampf weiter gepflegt werden, sonst wirken diese peinlich und wenig vorteilhaft. Zeigen die Politiker doch damit ein gewisses Desinteresse an der Aufrechterhaltung der Kommunikation mit dem Wähler über den Wahltag hinweg. (Seite 42)
Einige schöne Hamburger Beispiele habe ich hier mal zusammengetragen. (Am Ende des Postings)

Fazit  
"Die Hamburger Politiker und Parteien sollten sich in Zukunft noch stärker mit dem Internet und seinen Möglichkeiten auseinandersetzen, um nicht eines Tages den direkten Draht zum Bürger zu verlieren." (Gurgel 2012, S. 50 ebenda)
„Zukünftig wird sich der Wähler nicht mehr ohne weiteres mit den am Infostand verteilten Parteiwahrheiten zufrieden geben. Die Parteien sind geradezu gezwungen, Rückkanäle für die Kommunikation (...) bereitzustellen(Bieber, 2010/2011,  Internet. In: „Informationen zur politischen Bildung“, Nr. 309/2010, S. 13 - 16)

Anmerkung: Einziger Wermutstropfen der überaus gelungenen Bachelorarbeit ist der Verzicht der Betrachtung der Partei Die LINKE. Als fünfte Bürgerschaftspartei hätte sie in die Grundgesamtheit der Parteien gehört.

Back-Up: Einen Überblick über die Social-Media-Arbeit der Hamburger Parteien, der fünf Fraktionen der Bürgerschaft, aller Abgeordneter in der Bürgerschaft und des Hamburger Senates finden sie in Postings vergangener Wochen.


4 Kommentare:

  1. Danke für die Zusammenfassung. Was mir fehlt, ist allerdings der Maßstab für das Urteil

    "Die Hamburger Parteien nutzen die ihnen durch die sozialen Netzwerke zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Bürgerdialog bisher noch unzureichend. Das Potential wird bisher nur unzureichend ausgeschöpft."

    Hat die Autorin das Potential definiert? Was sind die Kriterien für die Möglichkeiten? Fließen andere Kommunikationswege mit in die Betrachtung ein? Die Frage also: entspricht das Kommunikationsverhalten im Bereich der sozialen Medien dem sonstigen Kommunikationsverhalten oder kommuniziert eine Partei/Fraktion dort mehr bzw. weniger als anderswo?

    So ist das zunächst mal subjektiv.

    AntwortenLöschen
  2. Danke für den Hinweis.
    Betrachtet wurden, wie der Titel schon sagt, sowohl der Bundestagswahlkampf 2009 und die Bürgerschaftswahl 2011 in Hamburg.
    Maßstab waren Best Practice auf Bundesebene und internationale Aktivitäten.

    Das zitierte Urteil ergibt sich hauptsächlich aufgrund der subjektiven Aussagen und Selbsteinschätzungen der Gesprächspartner aus allen Hamburger Parteien.

    AntwortenLöschen
  3. Interessant wäre die messbare quantitative Auswertung - wie viele Reaktionen gibt es tatsächlich? Ich sehe doch sehr häufig "0 comments", wenn ich auf die Seiten klicke.
    Befragt man offiziell, würden wohl die wenigsten zugeben, dass die eigenen Aktivitäten (zu) wenig Resonanz erzeugen. Eine Ausnahme ist hier offenbar die CDU.

    Und noch wichtiger ist die Frage nach der Qualität: welcher Art sind die Reaktionen und wem haben sie einen tatsächlichen Nutzen erbracht?
    Die reine Selbsteinschätzung halte ich für keine belastbare Grundlage.

    AntwortenLöschen
  4. Gute und richtige Anmerkung zur Studie.
    In der Tat würde eine externe Evaluation der quanti- und qualifizierbaren Messwerte weiteregerhende Erkenntnisse liefern.

    Meine These:
    Die digitale Welt ist ein Abbild der Kommunikation auf der Straße. Die Qualität der Reaktionen schwankt auch dort sehr stark und freiwillig (ohne intrinsische Motiviation) unterhalten sich nur wenige Bürger mit einem Politiker z.B. am Stand einer Partei in einer vollen Einkaufstraße.

    Würde die Evaluation übernehmen, wenn sich ein Sponsor findet ;)

    AntwortenLöschen