Wahlbeobachter in den Medien

Dienstag, 4. September 2012

Hamburg verkauft mich für 1,08 EUR

Zu den wohl bekanntesten 57 Sekunden aus einer Bundestagsdebatte gehören seit Juni die Sekunden zur Abstimmung über das neue Meldegesetz.

 

Das neue Meldegesetz erlaubt es privaten Anbietern in noch größerem Maße als zuvor öffentliche Meldedaten nachzufragen und aktualiserte Bestände bei den Kommunen zu erhalten. Noch ist das Gesetz nicht in Kraft, da die Abstimmung im Bundesrat noch bevor steht.

Doch auch schon heute gibt es einen regen Datenhandel mit Registerauskünften durch öffentliche Behörden in Deutschland.

Das Land Berlin nimmt zum Beispiel pro Jahr 3,3 Millionen Euro durch den Verkauf von Meldedaten ein, in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden kommt eine sechsstellige Summe zusammen und bei der Stadt Meppen konnten im Jahr 2011 immerhin 9.800 Euro durch den staatlichen Adresshandel eingenommen werden. 

Dabei schwankt der Preis zwischen 1-2 Euro und 25 Euro je Datensatz.

Auch wenn sich der Senat der Freien- und Hansestadt Hamburg gegen das neue Meldegesetz ausgesprochen hat und der Landesdatenschutzbeauftragte der Meinung ist, dass das hoheitlich geführte Register nicht zum Datenpool für die Werbebranche verkommen darf, wollten sowohl die FDP-Fraktion als auch Die LINKE fast parallel wissen, wie viel Geld denn durch Datenweitergabe in die Kassen der Stadt Hamburg fließt.

Nun sind die Antworten da.


Screenshot Kleine Anfrage 20/4693 Bläsing/Ritter (FDP)
Bereits Ende Juli teilte der Senat auf Nachfrage (Drucksache 20/4692 vom 30.07.2012,.pdf) der liberalen Abgeordneten Robert Bläsing und Finn-Ole Ritter mit, dass die Stadt Hamburg im Jahr 2011 1.940.179,00 EUR mit Melderegisterauskünften und Melde-bestätigungen eingenommen hat.

Pro Hamburger macht das also 1,08 EUR bei 1.790.000 Einwohnern.

Leider fehlen komplette Statistiken zu allen erteilten "einfachen Melderegisterauskünften".

Screenshot Kleine Anfrage 20/5040 Artus/Schneider (Die LINKE.)
Insgesamt 229.493 Melderegisterauskünfte zählte die Stadt im Jahr 2011. Dies ergibt sich aus der schriftlichen kleinen Anfrage (Drucksache 20/5040 vom 28.08. 2012.pdfvon Christiane Schneider und Kersten Artus (Die LINKE.).

Auch hier fehlen leider komplette Daten zu den "erweiterten Melderegisterauskünften". 

Hinzu kommen 12 Gruppenauskünfte im vergangenen Jahr, die knapp 3.000 EUR erbrachten. (Seite 2f.).

Wie der Anlage 1 (Seite 4) aus der Anfrage von Schneider und Artus zu entnehmen ist, sind die Einnahmen der Stadt seit dem Jahr 2003 zwar schwankend, das Einnahmenniveau ist aber kontinuierlich gestiegen. 

Welche Rechte man im Zusammenhang mit seinen Meldedaten hat und wie man Widerspruch gegen die Weitergabe einreichen kann hat die Stadt auf einem Merkblatt ("Informationen zum Umgang mit Daten aus dem Melderegister".pdf) zusammengetragen, dass der Antwort als Anlage - ab Seite  6 - angefügt ist. 

Nachtrag: Drei Tage nach der Veröffentlichung dieses Posts nimmt auch SPIEGEL ONLINE das Thema auf und bestätigt meine Berechnungen zu den Einnahmen der Stadt Hamburg. Hamburg liegt nach Recherchen von SPIEGEL ONLINE mit 1,08 EUR/Bürger an vierter Stelle bei Einnahmen pro Bürger.

Update März 2013: Auf dem Portal Datensparsam.de kann man jetzt mit wenigen Klicks einen Antrag auf Übermittlungssperre für seine Daten beim lokalen Meldeamt erstellen. Ausdrucken, unterschreiben und absenden. Ich habs ausprobiert. Die Stadt Hamburg hat all meine Wiedersprüche im Melderegister eingetragen. Nun können meine Daten nicht mehr vom Staat verkauft werden. Parteien müssen meine Daten für Wahlwernung zukünftig woanders kaufen. Danke an Jan Brennerstuhl  und die Open Knowledge Foundation Deutschland.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen