Wahlbeobachter in den Medien

Freitag, 11. Januar 2013

Das Wahlplakat im Plakatierungsdilemma – Befragung zur Wirkung von Wahlplakaten


Wahlplakat Dirk Marx (CDU)
Vor zwei Jahren, im Februar 2011 standen sie in Hamburg an jeder Ecke, aktuell verschönern Wahlplakate Niedersachsen. Während der letzten Hamburger Bürgerschaftswahl veröffentlichte ich an dieser Stelle Postings zu den schönsten, den skurrilsten, den kreativsten und den mutigsten Plakaten der Parteien. 

Doch welche Wirkung haben Wahlplakate eigentlich auf den Wähler und welchen Einfluß auf die Wahlentscheidung?

Diesen Fragen sind Prof. Dr. Jan Lies und Laura Stefanelli von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) mit einer Befragung zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2011 nachgegangen.

Ich freue mich hier ihren Gastebeitrag zur Studie veröffentlichen zu können. 

Das Wahlplakat im Plakatierungsdilemma


Das Wahlplakat hat grundsätzlich einen hohen bzw. den höchsten Stellenwert als Wahlkampfinstrument bei allen Parteien. Das zeigt eine Befragung der Hamburger Parteien durch die Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK). Diese Einschätzung schlägt sich auch im eingesetzten Wahlkampfbudget nieder: Das Wahlplakat nimmt zwischen 18 und 43 Prozent des Gesamtbudgets ein. 

Durchwachsene Erwartungen an das Wahlplakat

 

Zeitgleich sind die Erwartungen an seine Wirkung eher durchwachsen: Die Aufmerksamkeitsstärke bewerteten die Parteien in Schulnoten eher mittelmäßig. Die Einschätzung des Verständnisses von Wahlplakatbotschaften fiel insgesamt noch schlechter aus: Die CDU vergab hier sogar ein „mangelhaft“.

Das Internet wird in Bezug auf den Stadtstaat Hamburg nicht als großer Konkurrent des Wahlplakats eingeordnet, da aufgrund der hohen Besiedlungsdichte Wahlplakate im Stadtbild Sichtbarkeit erzeugen und die Streuverluste im Vergleich zum Internet sehr gering ausfallen.

Die Wirkungsmessung der im Wahlkampf eingesetzten Instrumente wird dem hoch angesiedelten Stellenwert des Wahlplakats nicht gerecht: Alle befragten Parteien gaben an, aus Kostengründen keine umfassende Evaluation der einzelnen Wahlkampfinstrumente vorzunehmen.

Der Einsatz von Wahlplakaten wird stark durch das so genannte „Plakatierungsdilemma“ geprägt: Alle Parteivertreter äußerten, dass sie - unabhängig von der tatsächlichen Wirkung des Plakats - nicht auf das Plakatieren verzichten würden, aus Angst, andernfalls zwischen den anderen Parteien beim Rezipienten negativ aufzufallen und intransparent zu erscheinen. Das Dilemma besteht also in einer überschaubaren Wirkungserwartung des Plakats auf der einen Seite und den Erwartungen auf Basis von Tradition auf der anderen Seite. – Wie bewerten die Bürger das Wahlplakat?

Was sagen die Bürger?


100 Prozent der Befragten gaben an, noch nie eine Partei aufgrund eines Wahlplakats gewählt zu haben. Als Informationsquelle reiht sich das Wahlplakat an zweiter Stelle hinter dem Fernsehen ein. 

Den grundsätzlichen Einsatz von Wahlplakaten, unabhängig von ihrer Funktion, empfanden 42 Prozent der Befragten als störend. Die anderen 58 Prozent dagegen nicht. Dabei zeigt sich jedoch ein Gefälle zwischen den Altersgruppen: Während 80 Prozent der Wähler zwischen 18 und 45 Jahren Wahlplakate nicht als störend empfanden gaben in der Altersgruppe 45 bis70+ immerhin 64 Prozent an, sich gestört zu fühlen.

Funktionen des Wahlplakats aus Sicht der Bürger (in Prozent)




















Die wesentliche Funktion, die das Wahlplakat erfüllt, liegt mit 78 Prozent Zustimmung in der Erzeugung von Aufmerksamkeit. Der Übermittlung von Botschaften stimmten jedoch nur 20 Prozent der Befragten zu.

Wie schwer es ist, einfachste Informationen – wie beispielsweise den Absender - via Wahlplakat zu übermitteln zeigte ein Wiedererkennungstest: Nur 46 Prozent der Befragten waren am Ende des Interviews noch dazu in der Lage, ein Plakat, welches sie am Anfang des Interviews gesehen hatten, der richtigen Partei (ÖDP Hamburg) zuzuordnen.

Bewertung der Wahlplakate zur Hamburgischen Bürgerschaftswahl 2011

 

Psychologisch betrachtet ist die Aufmerksamkeit, die man einem visuellen Reiz widmet, abhängig davon, wie ansprechend dieser vom Rezipienten empfunden wird. Kurz: Der Schlüssel zur positiven Wahrnehmung eines Plakats bzw. der Informationsverarbeitung ist dessen optische Gestaltung. Deshalb wurden die Befragten dazu aufgefordert, die Wahlplakate der vergangenen Bürgerschaftswahl in Schulnoten zu bewerten. Die Bewertung fiel dabei insgesamt schlecht aus. 



Durchschnittsnote

CDU
  3,3

SPD
  3,4

GAL
  3,4

FDP
  3,5

Piratenpartei
  3,7

Die LINKE
  4,1

Bewertung der Wahlplakate in Schulnoten
Plakate, die Personen abbildeten wurden besser bewertet, als die ohne. Personalisierung scheint ein wichtiges Element bei der Gestaltung zu sein.

Keines der gezeigten Wahlplakate motivierte die Befragten im hohen Maße, sich weitere Informationen zu einer Partei einzuholen, geschweige denn eine der Parteien zu wählen. Den relativen Spitzenwert erreichte in beiden Fällen die CDU mit einer Zustimmung von gerade mal 20 Prozent. 

Einen Überblick über die Plakatmotive der Parteien zur Bürgerschaftswahl 2011 finden Sie hier.

 

Fazit


Sowohl das „Plakatierungsdilemma“ als auch die mangelhafte Evaluation des Wahlplakats lähmen die Optimierung des individuell auf den eigenen Wahlkampf zugeschnittenen Kommunikationsinstrumentariums der Parteien. 

Es zeigen sich Unterschiede in der Wahrnehmung nach Altersgruppen. Parteien könnten entsprechend dazu übergehen die Zielgruppenansprache verstärkt zu individualisieren. Sozioökonomische Kategorien können dabei ebenso eine Rolle spielen, wie die Parteinähe eines potenziellen Wählers.

42 Prozent der 50 Befragten gaben an, sich durch das Wahlplakat gestört zu fühlen – eine beträchtliche Zahl, die grundsätzlich die Frage aufwirft, ob das Wahlplakat überhaupt noch ein geeignetes Kommunikationsinstrument darstellt. Betrachtet man die Tatsache, dass das Wahlplakat hauptsächlich eine Signalfunktion für die bevorstehende Wahl erfüllt, so könnte in Erwägung gezogen werden, parteiübergreifend zu Plakatieren (reine Wahl-Hinweise) und die Partei-Werbung auf andere, kostengünstigere Kanäle zu lenken. Damit würde auch das „Plakatierungsdilemma“ umgangen.


Die Autoren:

Prof. Dr. Jan Lies ist Professor für PR- und Kommunikationsmanagement an der MHMK in Hamburg und freier Kommunikationsberater. http://www.jan-lies.de/










Laura Stefanelli hat ihre Bachelorarbeit über das Wahlplakat an der MHMK in Hamburg geschrieben und ist nun Masterstudentin an der Leuphana in Lüneburg.

  








Diskussion: Eine erste Replik auf die hier dargestelltte Studie gibt es im krflo-Blog von Florian Krumbeck. 

2 Kommentare:

  1. Grundsätzlich sehr interessante Studie, ABER: bei einer Stichprobe von 50 Leuten sind die Ergebnisse mit größter Vorsicht zu genießen.
    Aber hoffentlich hat jmd bei den Parteien Appetit bekommen, einen repräsentativen Folgeauftrag zu finanzieren :)

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  2. Aussagekräftiger für die Beliebtheit der Hamburger Wahlplakate dürfte eine Online-Umfrage des NDR sein, die einen überraschenden Sieger hatte:

    http://www.hamburger-wahlbeobachter.de/2011_02_01_archive.html?m=1

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