Wahlbeobachter in den Medien

Dienstag, 22. Oktober 2013

#btw13: Der Online-Wahlkampf 2013 - Eine Wahlbeobachter-Analyse

Ein Blog goes Papier. Dank der Fachzeitschrift "politik & kommunikation" gibts meine Postings auch als Kolumne und auf Totholz. In meiner dritten Kolumne aus der Oktober-Ausgabe schaue ich auf den Wahlkampf 2013 zurück und versuche ein paar weit verbreitetete Mythen über das was Onlinewahlkampf leisten kann und soll aus der Welt zu schaffen.

Hier das Blog-Crossposting dieser Kolumne.

Angela Merkel 22.09.2013
Screenshot Facebook-Posting Angela Merkel aus der Wahlnacht
„Four more years“ textete Barack Obama verbunden mit einem emotionalen Wahlsieger-Foto nach seiner zweiten Wiederwahl im Jahr 2012. Dieser Tweet und auch das parallele Posting auf Facebook sind die meist geteilten Inhalte in beiden Netzwerken und somit selber Geschichte geworden. Die Botschaft von Angela Merkel nach Ihrer überragenden Wiederwahl am Wahlabend des 22. September war ein kurzes Videointerview, das es bisher immerhin auf knapp 10.000 Likes und über 1000 „Teilen“ schaffte. Ob die Bundeskanzlerin mit diesem Posting in die Geschichtsbücher eingeht ist zu bezweifeln.

Ganz davon abgesehen, dass die politische Kultur und auch die Struktur des Parteiensystems in Deutschland Vergleiche mit dem amerikanischen Wahlkampf verbieten, war der Onlinewahlkampf nicht so langweilig, unkreativ und schlecht wie ihn viele Medien und Experten gemacht haben. Ich habe den Eindruck das die Erwartungen der Öffentlichkeit an das was Wahlkampf im Netz leisten soll und kann verzerrt und überzogen sind.

Was erwarten die Wähler von Parteien und Politikern im Netz? 


Über 60 Prozent der Bürger informieren sich im Netz über politische Themen, insbesondere in der heißen Wahlkampfphase. Und Informationen haben die Parteien als auch die Kandidaten online bereitgestellt. Fast jeder Kandidat war mit einer Webseite im Netz präsent, über 60 Prozent der aussichtsreichsten 600 Bundestagskandidaten waren auf Facebook mit einer eigenen Fanseite aktiv und immerhin jeder dritte Bundestagsabgeordnete twitterte in den letzten Wochen vor der Wahl.

Screenshot Grünes Wahlprogramm in 2 Minuten
Die Parteien bereiteten Ihre Programme in leichter Sprache auf, ließen das Wahlprogramm von Parteipromis via soundcloud vorlesen (SPD) oder fassten die zentralen Punkte multimedial aufbereitet in zwei Minuten zusammen (Grüne). Der Großteil der abgeordnetenwatch.de-Fragen wurde zügig beantwortet, die Wikipedia-Seiten waren in den meisten Fällen aktuell und es gab fast keinen Kandidaten der nicht auch ein eigenes Kandidatenvideo ins Netz stellte. Einige der Videos schafften sogar mehrere 10.000 Abrufe und sorgten für bundesweite Verbreitung.

Ganz klar, nicht jedes Social-Media-Profil wurde auch wirklich optimal für den Dialog genutzt, die Intensität der Aktivitäten schwankte zwischen den Kandidaten stark und auf manch einer Webseite hätten die Informationen besser strukturiert sein können. Aber: Jeder Wähler hatte die Chance sich mit wenigen Klicks über seine Wahlkreiskandidaten und die Positionen der Parteien all umfassend zu informieren.

Die Kritik an den fehlenden Innovationen teile ich ebenso wenig. Der Ruf nach digitaler Beteiligung wurde in diesem Wahlkampf erhört und von den Parteien aufgegriffen. Beide Volksparteien CDU (CDUplus) und SPD (mitmachen.spd) stellten Mitmach- und Diskussionsportale bereit, die ebenfalls von der Parteibasis gut angenommen wurden. In den Parteien gelten gerade diese Onlineportale als die wahre Innovation. Noch nie konnte der Wahlkampf so direkt, hierarchiefrei und reaktionsschnell geplant und organisiert werden.

Screenshot aus Tumblr "Wo Peer seine Finger drin hat"
Zudem gab es eine Reihe von wirklich kreativen und gut gemachten Meme, die reaktionsschnell von den Parteien oder parteinahen Privatleuten ins Netz gestellt wurden. Beispielhaft seien hier nur die tumblr-Blogs „Merkel Raute“, „Wo Peer seine Finger drin hat“, „Pofalla beendet Dinge“ oder auch „Gut gemacht FDP“ genannt.

Auch erste zarte Ansätze Kontrollverlust von Seiten der Parteien zuzulassen konnten bei Twitter-Accounts wie @WirsindGruen und @WirsindCDU beobachtet werden. Im Sinne des Rotation Curation-Gedankens twitterte hier jede Woche ein anderes Parteimitglied im Namen der Partei, ohne dass diese die Tweets vorher freigab.

 

Was wünsche ich mir von den Abgeordneten in den kommenden vier Jahren? 

 

Nicht jeder Abgeordnete braucht Social Media und nicht jeder Parlamentarier muss die Netzwerke selber aktiv nutzen. Trotzdem sollte jeder Volksvertreter und seine Büros das Netz im Blick haben und zuhören. Ein schmales Social-Media-Monitoring sollte im Jahr 2013 genauso so zur täglichen Routine werden wie der ausgedruckte Pressespiegel.

Quelle: UdL Digital
Von den Abgeordneten die sich für eine Nutzung entschieden haben wünsche ich mir wirklichen Dialog. Die im Wahlkampf aufgebaute Community sollte nun weiter in die tägliche Arbeit eingebunden werden. Positionen, Argumente und die Funktionsweise von Politik müssen nun auch kontinuierlich in den kommenden Jahren erklärt werden. Die Fans und Follower sollten mit exklusiven Informationen und direkten Fragestellungen zu aktuellen Diskussionen in die eigene Meinungsbildung einbezogen werden. Nur so bindet man Sympathisanten erfolgreich an sich und kann auf diese dann im kommenden Wahlkampf zurückgreifen.

Die Abgeordneten sollten zudem einen Schritt auf Blogger zugehen und auch deren Fach-Expertise nutzen und sich stärker als Gastblogger auf fremden Blogs tummeln. Politik muss an den verschiedensten Ecken des Netzes erklärt werden z.B. auch in Fashion- oder Foodblogs. Bestenfalls in leicht konsumierbarer Form wie Videos oder Infografiken. Auch hier gibt es bereits wunderbare Best Practice-Beispiele. Ich freue mich auf den neuen Bundestag und all die Social-Media-affinen neuen Abgeordneten.

Die Nachwahlbeobachtung läuft bereits an ;)  

Für alle Freunde des gelayouteten Papiers gibts hier die Kolumne auch in der Originalansicht (Anmerkung: Der Text ist ein wenig gekürzt) 

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