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Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, hilft ein Blick
darauf, wie das Internet heute schon durch Politiker genutzt wird. An der
Friedrich-Schiller-Universität Jena wurden daher im Jahr 2012 die persönlichen
Webseiten von 70 Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages (MdB) untersucht. [1]
Im Folgenden wird eine Auswahl an ersten Ergebnissen präsentiert.
Die Analyse zeigt, dass die MdB großen Wert auf die
technische Ausgestaltung ihres Internetauftritts legen (Abb. 1). Sie scheinen
damit erfolgreich zu sein, denn weniger als zwanzig Prozent der Webseiten
können als überhaupt nicht nutzerfreundlich eingeschätzt werden. Aktualität spielt
dabei eine wichtige Rolle: Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Webseiten
lag das letzte Update – z.B. ein neuer inhaltlicher Beitrag – weniger als drei Tage
zurück. Zudem bieten fast vierzig Prozent der Abgeordneten an, mithilfe eines
RSS-Feeds direkt über neue Einträge auf ihrer Website zu informieren. Allerdings
zeigen sich hierbei deutliche Unterschiede zwischen den Parteien.
Die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten gibt Informationen zu ihrer Tätigkeit im Deutschen
Bundestag und im Wahlkreis an (Abb. 2). Auch die eigene politische Biografie ist
auf neun von zehn Webseiten zu finden. Zwei Drittel der Abgeordneten
informieren über die eigene Familie, fast die Hälfte über persönliche Hobbies. Scheinbar
gibt es eine Art Konsens unter den Abgeordneten, welche Informationen auf einer
persönlichen Website preisgegeben werden. Umfassende Transparenz umfasst dieser
Konsens jedoch nicht: Nur jeder fünfte Abgeordnete informiert über sein
tatsächliches Abstimmungsverhalten bei namentlichen Abstimmungen. Diese
Zurückhaltung findet sich bei den Abgeordneten aller Fraktionen – wenn auch
etwas schwächer bei Grünen und Linken – und kann als Hinweis auf eine Strategie
der „selektiven Transparenz“ verstanden
werden.
Abb. 2: Bereitgestellte Informationen
Anders als bei twitter, facebook oder anderen social-media Formaten bestimmen die Abgeordneten auf ihren persönlichen Webseiten selbst die Rahmenbedingungen politischer Kommunikation. Inwieweit Elemente interaktiver Kommunikation (Abb. 3) auf den Webseiten integriert sind, zeigt daher den Stellenwert, den die Abgeordneten der Interaktion mit der Bevölkerung im Internet zuschreiben. Nur jeder fünfte Abgeordnete bietet über eine Feedback-Funktion die Möglichkeit, direkte Anmerkungen zu einem bestimmten Inhalt zu hinterlassen. Ebenso verfügen weniger als zwanzig Prozent der Abgeordneten über einen auf ihrer Webseite verlinkten Blog, der durch seine Aktualität und Kommentarfunktion Möglichkeiten zum Bürgerdialog böte. Parteiunterschiede sind zu erkennen, doch selbst die im Vergleich zur CDU/CSU häufiger angebotenen Interaktionsmöglichkeiten der übrigen Abgeordneten verändern das Gesamtbild nicht.
Die Unterschiede zwischen den Parteien weisen allerdings daraufhin,
dass der Internetstil auch durch den Parteienwettbewerb geprägt ist.
Traditionell legen die Abgeordneten der CDU/CSU sehr viel Wert auf das
Vertrauen der Bevölkerung in die Politiker als Personen. Entsprechend betonen sie
auch in ihrem Internetauftritt das eigene Privatleben (Familie, Hobbies). Linke
und Grüne hingegen betonen tendenziell eher politische Inhalte (Abstimmverhalten)
und die Mobilisierung ihrer Anhänger mittels Aufrufen zu Demonstrationen,
Kundgebungen und Ähnlichem.
Abb. 3: Interaktion und Mobilisierung
Fazit
Parteiübergreifend ist die internetbasierte politische Kommunikation der Parlamentsabgeordneten durch Informationsvermittlung geprägt. Möglichkeiten zur Interaktion werden selten geboten, hingegen die technischen Möglichkeiten des Internets, wie Aktualität und Nutzerfreundlichkeit betont.
Dieses Nutzungsmuster muss jedoch nicht Ausdruck mangelnder Medienkompetenz der Parlamentsabgeordneten sein. Vielmehr folgen Abgeordnete politischen Erwägungen, die von einer im Vergleich zur gesamten Bevölkerung überschaubaren Anzahl an politisch aktiven Internetnutzern ausgehen. Demzufolge erfordert Interaktivität im Internet ein zu hohes Maß an Ressourceneinsatz, bringt aber nur wenig politischen Gewinn in Form von Wählerstimmen mit sich. Die Abgeordneten setzen deshalb vorrangig auf Information und selektive Transparenz. Unterschiede zwischen den Parteien weisen zusätzlich daraufhin, dass verschiedene Internetstile im Grunde auf unterschiedliche Politikstile zurückgehen.
Wie verändert das Internet die Politik? Die Ergebnisse legen
nahe, dass nicht allein die Logik des Internets die politische Kommunikation im
Internet bestimmt. Die Bundestagsabgeordneten, die einen Großteil der deutschen
Politiker ausmachen, versuchen sehr wohl, auch die Internetkommunikation in
ihrem Sinne zu strukturieren. Inwieweit sie dabei erfolgreich sein werden,
hängt wohl nicht zuletzt von der Akzeptanz der Wähler ab; und zwar sowohl von
denen, die Politik digital kommunizieren und von denen, die dies nicht tun. Das
Internet verändert die Politik, aber gleichzeitig gestaltet die Politik das
Internet auch mit.
[1] Die
Auswahl der Bundestagsabgeordneten erfolgte mittels einer Zufallsstichprobe,
wobei nach Fraktionszugehörigkeit, Geschlecht und Geburtsjahr quotiert wurde,
um ein für die Gesamtheit des 17. Deutschen Bundestags repräsentatives Sample
zu gewährleisten. Die Datenerhebung fand im Frühjahr 2012 statt. Anzahl
erhobene Webseiten: CDU/CSU (27), SPD (16), FDP (10), Grüne (9), LINKE (8). Im
Text werden nur signifikante Parteiunterschiede berichtet, d.h. diese
Unterschiede finden sich mit mindestens fünfundneunzigprozentiger Sicherheit
auch dann, wenn die Webseiten aller Abgeordneten verglichen werden. Dabei ist
zu beachten, dass die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestags nahezu ohne
Ausnahme eine persönliche Webseite anbieten.
Autoren
Lars Vogel ist Politikwissenschaftler und Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er forscht zur politischen Repräsentation im und außerhalb des Internets, zur Elitenrekrutierung und zur Methodologie empirischer Sozialforschung.
Daniel Dwars ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie
der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind
die politische Soziologie und die Parlamentarismus- und Elitenforschung.
Autoren
Lars Vogel ist Politikwissenschaftler und Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er forscht zur politischen Repräsentation im und außerhalb des Internets, zur Elitenrekrutierung und zur Methodologie empirischer Sozialforschung.
Daniel Dwars ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie
der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind
die politische Soziologie und die Parlamentarismus- und Elitenforschung.
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