Wahlbeobachter in den Medien

Dienstag, 29. Oktober 2013

Parteien digital: Online-Strategien in der Mitgliederkommunikation von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der Piratenpartei

Ein Gastbeitrag von Kommunikationswissenschaftlerin Linette Heimrich. Der hier veröffentlichte Beitrag basiert auf Ihrer Masterarbeit mit dem Titel "Parteien digital: Mitgliederkommunikation im Zeitalter des Internets".


Technische Universität Ilmenau
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Der Wahlkampf ist zu Ende. Die Stimmzettel sind ausgezählt, die Sitze verteilt und die Gespräche zur Regierungsbildung laufen. Wie zu erwarten, stand im allgemeinen Medienspektakel der Online-Wahlkampf der Parteien wieder besonderes im Blickpunkt. Erste Analysen zur Rolle von Facebook, Twitter und Co. wurden bereits veröffentlich, viele umfassende Studien werden noch folgen. 

Quelle_ Statista
Mitgliederzahlen der Parteien 2012 
Dabei ist die Frage nach der Bedeutung von Online-Instrumenten in der Parteikommunikation keineswegs nur in Wahlkampfzeiten interessant. Als politische Mitgliederorganisationen sind Parteien mehr als nur Stimmensammler und Postenjäger. Sie agieren als wichtiges Scharnier zwischen Staat und Gesellschaft. Parteiorganisationen sind Orte der Willensbildung und Entscheidungsfindung und stehen zugleich vor der schweren Aufgabe ihre Mitglieder zu mobilisieren und langfristig an sich zu binden. Gerade in Zeiten rückläufiger Mitgliederzahlen spielt die Kommunikation mit den eigenen Anhängern auch außerhalb der stürmischen Wahlkampfphase eine wesentliche Rolle.

In einer explorativen Studie zur digitalen Mitgliederkommunikation von Parteien wurde darum untersucht, wie Parteien außerhalb des Wahlkampfs das Internet zur internen Willensbildung und Entscheidungsfindung sowie zur Mitgliederbindung und –mobilisierung nutzen. Ein Methodenmix aus Leitfadeninterviews mit führenden Kommunikationsverantwortlichen der Bundesparteien und einer qualitativen Strukturanalyse der zentralen Mitgliederangebote im Netz liefert Einblicke in die Online-Strategien von SPD, CDU, FDP, B90/Die Grünen und der Piratenpartei.

Als zentrale Mitgliederangebote wurden u.a. der login-geschützte „Mein Bereich“ der SPD-Website, die Community „CDUplus“ (CDU), das Netzwerk „Meine Freiheit“ (FDP), das Mitgliedernetz „Wurzelwerk“ (Grüne) sowie das „Piratenwiki“ und „Liquid Feedback“ (Piratenpartei) untersucht.

Exklusive Mitgliederangebote selten 


Grafik CDUplus
Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass ein erheblicher Teil der untersuchten Parteien auf exklusive Mitgliederangebote im Web fast gänzlich verzichtet. Der Großteil der Parteien verfügt zwar neben der regulären Website über eine parteieigene Community, die ihren Aussagen zufolge einen wichtigen Platz in der Mitgliederkommunikation einnimmt, in der Mehrzahl der Fälle steht diese aber auch Nicht-Mitgliedern offen. Der gebotene Mehrwert dieser Angebote ist für die Mitglieder selbst meist gering und beschränkt sich vorrangig auf das Bereitstellen von Hintergrundinformationen, zusätzlicher Kontaktmöglichkeiten und materieller Anreize, wie z.B. Sonderkonditionen für Parteimitglieder bei bestimmten Vertragspartnern.

Logo grünes "Wurzelwerk"
Strategisch geht es den Parteien weniger darum, exklusive Anreize für Mitglieder zu schaffen. Stattdessen will man eine möglichst breite Masse erreichen und auch Sympathisanten ohne Parteibuch involvieren. Die Beschränkung eines Angebots auf Mitglieder allein erscheint aufgrund zu geringer Nutzungszahlen nicht lohnenswert. Da Mitgliedernetze auch im Wahlkampf eine wichtige Rolle für die Mobilisierung spielen, ist das Einbeziehen externer Unterstützer strategisch gewollt.

FDP, SPD und Piraten unterscheiden in ihrem Online-Angebot am wenigsten zwischen Internen und Externen. Einzig die Grünen besitzen mit dem „Wurzelwerk“ ein exklusives Mitgliederangebot.


Herausforderung: Online-Teilhabe institutionalisieren 


Stärkster Anreiz, sich in einer Partei zu engagieren, ist nach wie vor die Möglichkeit zur Mitsprache und politischen Mitbestimmung. Alle untersuchten Parteien haben die Potenziale des Netzes als Raum für kollektive Willensbildung mittlerweile erkannt und versuchen, diese für sich zu nutzen. So fanden sich bei allen Parteien Ansätze, die Programmarbeit durch den Einsatz von Online-Instrumenten zu unterstützen. Das Ausmaß, in dem dies geschieht, variiert jedoch zwischen den einzelnen Parteien beträchtlich. Zudem werden mit der Willensbildung im Netz von den Parteien unterschiedliche Ziele verfolgt.

Quelle: Linette Heimrich
Ergebnisse zur Nutzung interner Parteinetzwerke
Einerseits werden Online-Instrumente genutzt, um Meinungsbilder aus der Gesamtbevölkerung einzufangen und Wahlprogramme entsprechend darauf auszurichten, siehe Bürger-Dialog der SPD, die Programmdebatte der FDP oder die CDU-Kampagne zum Regierungsprogramm 2013. Andererseits werden Schritte des regulären Antragsverfahrens ins Netz verlagert, wie es bei der FDP, den Grünen oder der Piratenpartei der Fall ist. Hierbei handelt es sich letztlich um eine Übertragung von etablierten Verfahren in den Online-Raum.

Parteiarbeit ist auf diese Weise unabhängig von Ort und Zeit möglich und lässt sich somit flexibler gestalten. Eine Machtverschiebung zugunsten der Basis lässt sich jedoch daraus nicht ableiten. Letztlich behält die Satzung einer Partei, welche den Ablauf innerparteilicher Willensbildung und Entscheidungsfindung regelt, auch im Netz ihre Gültigkeit. Der Einsatz von Online-Instrumenten führt also nicht automatisch zu einem größeren Einfluss der Basis, auch wenn Verfahrensabläufe dadurch möglicherweise vereinfacht werden. Nichtsdestotrotz gibt es vereinzelt Versuche der Parteien, die Einflussmöglichkeiten einfacher Parteimitglieder durch Online-Instrumente zu erweitern. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion des CDU-Leitantrags 2012.

Den Schritt, parteiinternen Abstimmungen gänzlich in den Online-Raum zu verlegen, ist bisher noch keine Partei gegangen. Ein Umstand, der vor allem datenschutzrechtlichen, technischen und auch repräsentativen Gründen geschuldet ist.

Fazit 


Die größte Herausforderung, die es für Parteien zukünftig zu meistern gilt, ist es, eine echte, wirkungsvolle Mitsprache zu ermöglichen, die über das Einfangen von Meinungsbildern im Netz hinausgeht. Denn ohne die feste Verankerung - Institutionalisierung - digitaler Willensbildung in parteiinterne Entscheidungsstrukturen bleiben Beteiligungsangebote im Netz eine digitale Spielerei und stärkere Basisbeteiligung ein leeres Versprechen. 


Autorin: 


Linette Heimrich
Linette Heimrich ist studierte Kommunikationswissenschaftlerin und hat ihren Master of Arts 2013 an der Technischen Universität Ilmenau mit Auszeichnung abgeschlossen. Die präsentierten Ergebnisse sind ein Auszug aus ihrer Masterarbeit „Parteien digital: Mitgliederkommunikation im Zeitalter des Internets“. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die politische Online-Kommunikation.









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