Der Gastbeitrag beruht auf den Ergebnissen der ISPRAT-Studie „Politiker im Netz: Treiber und Hürden der Social Media-Nutzung unter Bundes- und Landtagsabgeordneten“.
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Macht das Internet die Politik zugänglicher
für die Bürger?
Führen Soziale Medien zu mehr Austausch zwischen politischen Eliten und Wählern? Läuten Soziale Medien gar eine neue Ära der politischen Beteiligung ein? Viele Hoffnungen verbinden sich mit den Auswirkungen neuer Kommunikationstechnologien auf politische Entscheidungsprozesse. Um die Chancen und Herausforderungen Sozialer Medien in der politischen Kommunikation Deutschlands zu untersuchen, führte die Universität St. Gallen nun im Rahmen eines ISPRAT-Forschungsprojekts eine Umfrage unter deutschen Bundes- und Landtagsabgeordneten durch.
Führen Soziale Medien zu mehr Austausch zwischen politischen Eliten und Wählern? Läuten Soziale Medien gar eine neue Ära der politischen Beteiligung ein? Viele Hoffnungen verbinden sich mit den Auswirkungen neuer Kommunikationstechnologien auf politische Entscheidungsprozesse. Um die Chancen und Herausforderungen Sozialer Medien in der politischen Kommunikation Deutschlands zu untersuchen, führte die Universität St. Gallen nun im Rahmen eines ISPRAT-Forschungsprojekts eine Umfrage unter deutschen Bundes- und Landtagsabgeordneten durch.
Mitte bis Ende 2012 wurden alle
Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie alle Landesparlamentarier zur
Teilnahme an einer Online-Befragung eingeladen. 398 Abgeordnete kamen dieser
Einladung nach. Gegenstand der Erhebung waren die Motive, Zielgruppen und
Inhalte, aber auch die Organisation der Social Media-Kommunikation. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf das
interaktive Potenzial der neuen Medien im politischen Betrieb zu – sie zeichnen
ein Bild, das wenig Futter für utopische Hoffnungen bereithält:
90 Prozent der befragten Politiker nutzen soziale Medien
Quelle: statista.de |
Aktive Nutzung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit interaktiver Nutzung. Ein Blick auf die Nutzungsmotive macht deutlich: Im Vordergrund stehen für die politischen Kommunikationsprofis werbende Ziele und Inhalte. Vor allem im Bund werden Soziale Medien eingesetzt, um
- Wähler zu erreichen (94%),
- politische Botschaften zu verbreiten (87%),
- auf politische Erfolge aufmerksam zu machen (83%)
- und das eigene Profil zu schärfen (78%).
Wichtige Inhalte sind entsprechend Berichte über eigene Tätigkeiten (85%) sowie Auftritte (72%), Kommentare zum politischen Geschehen (80%) und selbstverfasste Artikel (79%).
Dialogische Motive treten dagegen in den
Hintergrund. Immerhin 74% wollen auch sehen, was ihre Wähler umtreibt. 54%
interessieren sich für die Aktivitäten der politischen Gegner. Sich eine
Meinung bilden (50%) oder gar das eigene Netzwerk um Rat fragen (33%) sind
dagegen klar untergeordnete Nutzungsmotive. Dies spiegelt sich auch in den
bevorzugten Inhalten: Reaktionen auf Freunde (39%) oder Fragen an das eigene
Netzwerk (19%) spielen hier kaum eine Rolle.
Die Analyse zeigt, dass Eigenwerbung das
wichtigste Nutzungsmotiv bildet, mit deutlichem Abstand vor der Aufnahme von
Informationen. Entsprechend gehört das Monitoring Sozialer Medien nicht zu den
populärsten Applikationen – 53% der Bundestagsabgeordneten nutzen täglich diese
Funktion, und sogar nur 25% der Landesparlamentarier. Der häufigste Nutzertyp
unter den Abgeordneten ist denn auch der „Profi“: 62% der Teilnehmenden, vor
allem Abgeordnete der Volksparteien, gehören diesem Typus an, der selektiv
Soziale Medien einsetzt, um Werbung für eigene Belange zu machen, und so Wähler
und Unterstützer zu erreichen.
Nur 24% gehören dagegen dem „begeisterten“
Typus an, der Soziale Medien auch nutzt, um Informationen und Links zu teilen,
Fragen zu stellen, Aufrufe zu starten oder auch einfach, weil die neuen Medien
Spass machen. Besonders häufig findet sich dieser Typus bei den Piraten, am
ehesten gehören junge Abgeordnete zu dieser Gruppe. Die insgesamt etwas weniger
aktiven und motivierten Landesparlamentarier erweisen sich interessanterweise als
etwas offener für eine dialogische Social Media-Nutzung, als ihre Kollegen im
Bund. Motive wie „auf dem Laufenden
bleiben“ (76%), „Nachrichten lesen“ (70%) oder „verstehen, was die Wähler
umtreibt“ (63%) gehören hier zu den wichtigeren. Die Abgeordneten der
Länderparlamente richten sich eher an Parteifreunde und Unterstützer, als an
die breite Öffentlichkeit. Dies spiegelt sich auch in den Inhalten: „Reaktionen
auf Freunde“ sind auf Landesebene deutlich wichtiger als im Bund.
Eine wirklich interaktive, dialogische
Nutzung Sozialer Medien setzt nicht zuletzt voraus, dass die hier
ausgetauschten Nachrichten die Abgeordneten tatsächlich erreichen. Die Analyse
zeigt, dass 62,6% der Abgeordneten beim Unterhalt ihrer Social Media-Profile
auf die Unterstützung von Mitarbeitenden oder Agenturen zurückgreifen. Dieser
Anteil ist mit 82% im Bund deutlich höher als auf Landesebene (56%). Das
Zurückgreifen auf Unterstützung im Rahmen der Social Media-Nutzung bedeutet
jedoch nicht, dass Anfragen und Konversationen ins Leere laufen. Über 90% der Abgeordneten haben das Gefühl,
weitgehende oder vollständige Kontrolle darüber auszuüben, was auf ihren
Online-Profilen geschieht.
Fazit
Zusammenfassend kann festgestellt werden:
Soziale Medien werden aktiv in der politischen Kommunikation eingesetzt. Sie
führen durchaus zu einer Reihe von Neuerungen, wie etwa einer stark
personalisierten Kommunikation an den Massenmedien vorbei. Utopische Hoffnungen
auf eine neue Dynamik des Dialogs und der Beteiligungen sind jedoch – noch
jedenfalls – nicht angebracht. Die Abgeordneten erweisen sich als
Kommunikationsprofis, die über ihre Online-Präsenz vor allem Eigenwerbung
betreiben. Sie greifen dabei gerne auf die Unterstützung von Mitarbeitenden und
Dienstleistern zurück. Der aktive Austausch mit der Netzgemeinschaft, die
Beobachtung von Diskussionen, die Aufnahme von Anregungen spielt derzeit eine
nur untergeordnete Rolle – ist jedoch auf Landesebene populärer als im Bund.
Und: Junge Abgeordnete erweisen sich als offener für den wirklichen Austausch
im Netz. Grund für Resignation besteht somit mit Blick auf die Zukunft
keineswegs.
Autoren:
Miriam Meckel ist Direktorin des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement und Professorin für Corporate
Communication an der Universität St. Gallen, Faculty Associate am BerkmanCenter for Internet and Society der Harvard University, USA, und Gastprofessorin
an der Management University, Singapore.
Auf Twitter: @mmeckel
Christian P. Hoffmann ist Assistenzprofessor für Kommunikations-management am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement
der Universität St. Gallen. Er ist Dozent an der Hochschule für Wirtschaft Zürich und Forschungsleiter eines Schweizer Think Tanks.
Auf Twitter: @cphoffmann
_90 Prozent der befragten Politiker nutzen soziale Medien_
AntwortenLöschenhier sollte man mal richtig recherchieren wer seine Profile nur pflegen lässt und wer wirklich *selbst* einen Dialog sucht.
Bisher ist das Social Network für die Meisten nichts anderes als eine neuzutapezierende Wand.
Lieber borg drone,
AntwortenLöschenvielen Dank für Ihren Kommentar. Allerdings wirkt dieser als hätten Sie den Gastbeitrag nicht (bis zum Ende) gelesen? Genau das ist doch die Aussage und Erkentniss der sehr gelungenen Studie von Meckel/Hoffmann.
Genutzt wird Social Media in der Politik, aber nicht unbedingt für den Dialog.
Martin Fuchs