Wahlbeobachter in den Medien

Dienstag, 14. Januar 2014

Groko auf Facebook – (K)eine Liebesheirat

Dies ist ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Alexander Güttler, CEO komm.passion GmbH und dem Medienforscher Dr. Klaus Holthausen, Dr. Holthausen GmbH. Die zitierten Ergebnisse und die komplette Studie „Politik Intern 13“ erhalten Sie hier.
Facebook-Like Daumen
Screenshot Komm-Passion Dossier 6/2013


Die Groko (Große Koalition) ist die wohl schwerste Geburt des politischen Jahres 2013. Langwierige Koalitionsverhandlungen, Schwarz-Grüne Gespräche und der SPD-Mitgliederentscheid machten diese Regierungsbildung zur längsten in der Nachkriegsgeschichte. Auf Facebook war der Ausgang der Wahl dabei schon länger klar: Der Blick in die Lebenswelten der Parteianhänger zeigt deutlich, dass die Groko nicht nur ein möglicher, sondern der wahrscheinlichste Wahlausgang war. 

Ein Blick in die Lebenswelt von Partei-Fans


Um einen genauen Blick in die Lebenswelt der Parteien zu haben, wurden die Like-Angaben von Facebook-Usern analysiert. Schwerpunkt lag dabei auf Usern, die eine oder mehrere Seiten einer bestimmten Partei geliked haben, somit klar einer Partei zuzuordnen sind. Ihre sonstigen Like-Angaben wurden gesammelt und ausgewertet, summiert und an gängige Zielgruppenmodelle angepasst. So entsteht das so genannte soziale Genom, eine angenommene „Lebenswelt“ der untersuchten Gruppe. Alle Bestandteile dieser Lebenswelt, seien es politische Überzeugungen, musikalische Vorlieben oder die Lieblings-Automarke, lassen sich so gezielt abbilden und miteinander in Zusammenhang stellen.

In der heißen Phase der Bundestagswahl konnten wir mit der Untersuchung „Politik Intern 13“ klar zeigen: Zwar sind SPD und CDU in politische Grabenkämpfe verstrickt, die Überschneidungen der Lebenswelt zeigt jedoch deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Die im Wahlkampf angestrebten Bündnisse, also Rot-Grün und Schwarz-Gelb, weisen zwar jeweils eine Vielfach größere Überlappung der Lebenswelt auf, dennoch hat das Schwarz-Rote Bündnis für die Parteien viele Vorteile, wie ein Blick ins Innenleben der Parteien auf Facebook gezeigt hat. 

Gemeinsamkeiten machen den Unterschied


So ist die Lebenswelt der SPDler zwar von viel mehr politischen Themen geprägt als die der CDUler, jedoch greift die SPD weitaus weniger Themen auf als die Grünen oder gar die Linken. Hier zeigt die SPD sich deutlich als „Links-Light“. CDUler haben kaum politische Initiativen in ihrer Lebenswelt und sind eher geprägt von großer Zufriedenheit. Angela Merkel ist auf Platz 1 aller Likes.

NetzwerkgrafikAbbildung 1: Das soziale Genom der CDU
 
Die Positionierung gegeneinander findet bei Facebook auf einem Level statt, das man wohl am besten mit Geplänkel beschreiben kann. CDUler liken verhalten die „Aktion Linkstrend stoppen e.V.“, SPDler suchen die Auseinandersetzung mit dem Gegner am liebsten über die Satire („Kann dieser herzlose Streuselkuchen mehr Likes bekommen als Guido Westerwelle?“). Leidenschaftliche politische Debatte geht anders. 

Was aber überwiegt, sind die Überlappungen: Beide Parteien sind sich sehr ihrer eigenen Tradition bewusst, informieren sich in On- und Offline Medien. Aber auch Belange fernab vom politischen Geschehen einen beide Lebenswelten: SPDler und CDUler fahren gerne Bahn und gucken Tatort. Somit ist der Koalitionsfrieden zumindest am Sonntagabend gesichert.


Grafik einer Matrix die die Überlappungen der Parteien anzeigtAbbildung 2: Wie passen die Parteien untereinander?


Ergebnisse der Untersuchung (in Kürze):

SPD – Nörgel-Partei ohne Anspruch 
CDU – (Selbst-)Zufriedenheit pur 
FDP – Leben im Luxus 
Grüne – Lifestyle-Idealismus für Gutmenschen 
Linke – Eigentlich alles Kommunisten 
Piraten – Ein Bisschen engagiert – wenig interessiert 
AfD – Erst das Geld, dann das Geld 
(Der AfD haben wir in der Untersuchung gute Chancen auf ein sehr gutes Wahlergebnis prognostiziert – alleine aufgrund von Daten, die mittels Facebook-Analyse gewonnen wurden.)



Matrix-Grafik mit Überschneidungen bestimmter Themen mit Parteien

Abbildung 3: Was liken die Parteien? Beispiele


Marktforschung trifft Meinungsforschung


Nicht nur einzelne Parteien, auch politische Themen lassen sich so analysieren. So konnten wir schon früh nachweisen, dass ein Asyl für Snowden in Deutschland in der breiten Bevölkerung keine Zustimmung findet. Lediglich ein kleiner Teil mit meist Grünem oder Linkem Hintergrund, dem z.B. Amnesty International gefällt und der sich für verwandte Themen interessiert, setzt sich aktiv für ein Snowden-Asyl ein. Daran konnte auch die hohe mediale Aufmerksamkeit rund um den Ströbele-Besuch nichts ändern. Der Regierung dürfte das Thema absolut fern liegen. 

Warum Facebook für die (politische) Marktforschung einsetzbar ist


Facebook hat in Deutschland rund 25 Millionen monatliche Nutzer. Die hohe Nutzerzahl und eine immer älter werdende Community sorgen dafür, dass Facebook längst kein Jugendphänomen mehr ist, sondern einen breiten Querschnitt der Bevölkerung repräsentiert. Die Methode, die komm.passion GmbH in Zusammenarbeit mit der Dr. Holthausen GmbH zum Einsatz bringt, bietet einen komplexen Einblick in genau diesen Querschnitt.
 
So haben wir uns mit der Methode auch dem Thema Nachhaltigkeit auf Facebook genährt und erstaunliche Ergebnisse herausgefunden. Die Ergebnisse zur Nachhaltigkeits-Studie gibt es hier.
Einen Vortrag von Dr. Klaus Holthausen zur Nachhaltigkeits-Studie und der Methode können Sie auch auf Youtube ansehen.



Abbildung 4 Methode
 
Autoren

Prof. Dr. Alexander Güttler, Gründer und CEO der Kommunikationsberatung komm.passion lehrt als Professor am Institut für Journalismus und Public Relations der Westfälischen Hochschule und war von 2009 bis 2013 Präsident der GPRA (Gesellschaft der Public Relations Agenturen) und ist im Deutschen Rat für Public Relations für Digitales zuständig.





Dr. Klaus Holthausen ist Physiker und hat Anfang der 90er Jahre in Neurowissenschaften promoviert und an der Universität Jena eine Arbeitsgruppe zur Grundlagenforschung und Mustererkennung betreut. Als Autor und Erfinder hat er sich vor allem mit der Funktionsweise assoziativer Systeme befasst. Als Unternehmer der Dr. Holthausen GmbH befasst er sich mit der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse für Business Anwendungen.







1 Kommentar:

  1. Wo bleiben FREIE WÄHLER? Die sind doch massiv z. B. bei Twitter, aber auch auf Facebook vertreten...!

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