Wahlbeobachter in den Medien

Donnerstag, 27. März 2014

Parteien verschenken Twitterpotential

Dies ist ein Gastbeitrag von Tobias Wagner, Social-Media-Redakteur von Tame. Er stellt hier eine neue Funktion des Tools vor: Die Followeranalyse am Beispiel der Parteienaccounts von CDU, CSU, SPD, Die LINKE, Grüne, FDP, Piratenpartei sowie AfD.

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Im August letzten Jahres haben wir mit Tame eine Kontext-suchmaschine für Twitter veröffentlicht, die auf einen Blick die relevanten Inhalte, Themen und Nutzer aus dem eigenen Netzwerk oder für Suchbegriffe liefert. Besonders die Betreuer großer Accounts, etwa Markenpräsenzen oder eben von politische Parteien, waren jedoch weniger an ihrer eigenen Timeline interessiert. Immer wieder hörten wir die Frage, was denn die eigenen Follower - also die direkte Zielgruppe - beschäftigt.

Hierzu haben wir in den letzten Monaten die Follower-Auswertung entwickelt und wollten die Fähigkeiten des neuen Features testen. In Zusammenarbeit mit dem Hamburger Wahlbeobachter haben wir deshalb die Follower der wichtigsten deutschen Parteienaccounts bei Twitter unter die Lupe genommen.

Untersuchungsmethode und Daten


Wir haben die Follower der deutschen Parteien im Bundestag, also die Accounts von @CDU, @spdde, @dieLinke, @Die_Gruenen und @CSU analysiert. Zusätzlich wurden im Hinblick auf die anstehende Europawahl auch die Accounts der drei Parteien aufgenommen, die bei der letzten Bundestagswahl nach den genannten die meisten Stimmen erhielten: @fdp, @AfD_Bund und @Piratenpartei.

Hierzu wurde eine Vollerhebung aller Tweets von allen Followern der acht Accounts vom 11.03. bis 17.03. durchgeführt, so dass eine komplette Woche von Montag bis Sonntag abgedeckt ist. In dieser Zeit verschickten die knapp 370.000 Follower der untersuchten Parteienaccounts insgesamt mehr als 2 Millionen Tweets

*Zum Zeitpunkt unserer Studie folgten 118 Twitter-User allen untersuchten Parteien gleichzeitig. Bei den Accounts @Die_Gruenen und @Piratenpartei gab es wiederum Überschneidungen von 25.000 Followern. (Quelle: eigene Erhebung)    



Die meisten Follower hat mit Abstand die Piratenpartei, welche dementsprechend insgesamt auch die meisten Tweets im Untersuchungszeitraum verschickt haben, dabei aber durchschnittlich nicht am häufigsten twittern. Die erst vor einem Jahr gegründete Alternative für Deutschland (AfD) weist demgegenüber zwar die geringste Zahl an Followern auf, die jedoch durchschnittlich am meisten Tweets verschickt haben. Bezogen auf die Anzahl der pro Person verschickten Tweets waren die Follower der CDU am inaktivsten auf Twitter.

Krim-Krise bewegt die Parteien-Follower am meisten


Untersucht man die Themen anhand der benutzten Hashtags zeigt sich ein deutliches Interesse an politischen Inhalten. Selbstverständlich handelt es sich bei den Followern der Parteienaccounts um Twitter-User, die einen besonderen Hang zu politischen Themen haben. Dass politische Inhalte jedoch so deutlich gegenüber Unterhaltung überwiegen, mag einige überraschen, die mit Twitter nur Justin Bieber oder Katzenbilder verknüpfen.

So sprachen die Follower neben dem alles überstrahlenden Hoeneß-Prozess (Hashtags: #hoeness und #hoeness) hauptsächlich über die Krim-Krise (Hashtags: #ukraine, #krim, #crimea, #eu und #putin). Die genannten Hashtags domieren die Timelines aller untersuchten Twitterer, unabhängig von der Partei, der sie folgen.

Im Folgenden die 10 meist genutzten Hashtags der CDU-Follower, die in ihrer Zusammensetzung exemplarisch stehen kann.

Meist genutzte Hashtags der CDU-Follower (11.03. - 17.03.)













 




Es sind jedoch auch interessante Unterschiede bei der Themenwahl zwischen den Parteienfollowern zu entdecken: So beschäftigten sich die Follower von SPD, Grünen, Linke und Piraten verstärkt mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (#ttip). Bei CDU, CSU, FDP und AfD schafft es dieses Thema jedoch nicht unter die Top 10. Die CSU-Follower wiederum twittern verstärkt über die bayrische Kommunalwahl vom letzten Sonntag. Das zugehörige Hashtag #kwby14 spielt bei den anderen Parteien wiederum keine Rolle.

Nur wenige Spitzenpolitiker erreichen Ihre Anhänger auf Twitter



Wie häufig nennen die Follower eines Accounts die betreffende Partei mit @-Mention 

Eine weitere Auswertungsmethode ist die 
Analyse der @-Mentions, d.h. die Frage danach, wie oft die Follower der Parteien-Accounts den zugehörigen Account direkt adressieren oder nennen. Interessant sind diese Werte insbesondere, da sie auch Aufschluss über die Retweets der Parteientweets geben können. Tauchen besonders häufig @-Replies der Partei auf, kann man daraus (auch) schließen, dass die Partei ihre Follower mit den eigenen Inhalten erreicht und diese darauf mit Retweets oder Antworten reagieren. 

Außer den Piraten und der AfD erreichen die Parteien ihre Follower nur sehr schlecht via Twitter. Die User sprechen sehr selten über die Partei (und nennen dabei den Account) und teilen nur selten Inhalte der Parteienaccounts mit Mention. 

Twitter-Account Sigmar Gabriel (SPD)
Noch deutlicher lässt sich dies bei den Spitzenpolitikern feststellen: So taucht der Account @sigmargabriel nicht einmal bei den SPD-Followern unter den Top 50 am häufigsten genannten Twitteraccounts auf, ebenso wie z.B. Jürgen Trittin bei Grünen-Followern. Der Unterschied: Sigmar Gabriel hat einen Monat nach der Bundestagswahl seine Twitteraktivitäten eingestellt, Jürgen Trittin bzw. sein Team wiederum twittern täglich. Als einer der wenigen Spitzenpolitikern schafft es @gregorgysi zumindest von den Linke-Followern auffällig genannt zu werden (Rang 4).

Es gibt zudem Politiker-Accounts, die parteiübergreifend besonders häufig genannt werden, z.B. @regsprecher, @martinschulz, @goeringeckardt und mit Abstrichen auch @gregorgysi. Der Regierungssprecher Steffen Seibert kann hier als positives Beispiel genannt werden, wie die User auf Twitter auch parteiübergreifend adressiert werden können. Hinzu kommt, dass Angela Merkel keinen Twitter-Account hat und so Seiberts @regsprecher oft als Ersatz adressiert wird.

Der SPD-Europapolitiker Martin Schulz wiederum ist vor kurzem in die Kritik geraten, da er auch seinen Twitter-Account als EU-Parlamentspräsident für Wahlkampfzwecke nutzt. Auch Kathrin Göring-Eckardt wird sich über die momentane Aufmerksamkeit nicht unbedingt freuen können, da sie doch durch ein zweifelhaftes Bild bezüglich der Krim-Krise die Kritik der Twitterer auf sich zog.


FAZIT


Das deutsche Twitter ist durchaus (auch) eine politische Plattform. Die Follower der deutschen Parteien sind sehr an politischen Themen interessiert. Besonders die Krim-Krise beschäftigt die User. Die großen deutschen Parteien schaffen es jedoch nicht, ihre Follower über diesen Kanal zu erreichen, sei es mit eigenen Themen oder den eigenen Accounts. Besonders bei Spitzenpolitikern ist in der Twitternutzung bzw. der Resonanz auf die eigenen Inhalte viel Luft nach oben. 

Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Neben dem @regsprecher und dem unter Linken-Followern populären @gregorgysi kann momentan besonders die AfD das Twitterpotential für sich nutzen.


Die komplette Studie kann hier abgerufen werden.


Autor: 

Social-Media-Redakteur Tame.it
Tobias Wagner
Tobias Wagner ist Social Media Redakteur bei Tame (www.tame.it), der ersten Kontextsuchmaschine für Twitter. Tame liefert auf einen Blick die relevanten Inhalte, Themen und Nutzer aus dem Twitter-Netzwerk. 


 







Die Studie ist exklusiv im Handelsblatt erschienen.

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