Hier das Blog-Crossposting dieser Kolumne.
Soziale Medien beleben die Demokratie - das
hofften zumindest viele. Politiker, Wissenschaftler, Journalisten – sie alle
feierten Mitmach-Portale wie LiquidFeedback, Facebook, Twitter und Co als neue demokratische Werkzeuge, mit
denen sich endlich wieder mehr Bürger in die Politik einbringen würden.
Startseite Petitionsplattform change.org |
Immer mehr Menschen informieren sich zudem über Online-Newsportale, Wikipedia und Facebook
über politische Inhalte. Das ist sehr erfreulich. Auf der anderen Seite birgt diese Entwicklung Gefahren für den politischen Wettbewerb. Darüber aber spricht bislang
kaum jemand. Eine Diskussion darüber fehlt bisher gänzlich.
Will ein Politiker Social Media erfolgreich nutzen, braucht
er eine möglichst aktive, gut-vernetzte, große und mobilisierbare Community.
Die fällt aber nicht vom Himmel. Vielmehr dauert es jahrelang diese aufzubauen,
kontinuierlich zu betreuen und zu pflegen. Nur dann können Politiker in der
heißen Phase des Wahlkampfes darauf erfolgreich zurückgreifen.
Typische Facebookseite mit kleiner Community MdB Hiltrud Lotze |
Im vergangenen Jahr war der Effekt von Social Media noch nicht in jedem Wahlkreis entscheidend. Das wird sich spätestens 2017 ändern. Soziale Netzwerke werden dann noch stärker als heute die Wahlentscheidung und das Informationsverhalten beeinflussen.
Klar, unbekannte Kandidaten hatten es schon immer schwer gegen den Platzhirsch. Hier wirkte allerdings bislang die Lokalzeitung, das Radio oder das Fernsehen ausgleichend. Klassische Medien nivellieren die fehlende Bekanntheit durch eine breite Berichterstattung. Dieses kompensierende Moment fehlt in den sozialen Medien. Hinzu kommt das insbesondere die Lokalzeitung aber auch klassisches Fernsehen und Radio immer weniger als Informationsquelle von nachwachsenden Wählergruppen genutzt werden. Ganz unabhängig vom anhaltenden Zeitungssterben.
Wikipedia, Google und fehlende Ressourcen für digitale Werbung verstärken diese Verzerrung noch. Wikipedia versteht sich als Enzyklopädie des Relevanten. Kandidaten, die vorher kein offizielles Amt oder eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung hatten, haben keine Chance abgebildet zu werden. Mittlerweile wird die Seite aber viel häufiger aufgerufen als die Webseiten von Politikern und Parteien. Das führt zu einer unfairen Nichtbeachtung von politischen Neu- und Quereinsteigern.
Startseite Google AdWords |
Für potentielle Kandidaten heißt das: Fangen Sie schon lange vor der ersten möglichen Kandidatur an, digital politisch aktiv zu werden. Wer digital sichtbar ist und wer Parteifreunde hat, die ihn auch im Netz unterstützen, der hat es oft schon bei den innerparteilichen Machtspielen und der Kandidatenaufstellung leichter. Das zeigen erste Beispiele.
Was bedeutet das für die Demokratie?
Im politischen Prozess wird es immer weniger klassische Quereinsteiger geben, und die digitalen Strukturen werden noch stärker als bisher etablierte Politiker begünstigen.
Wir sollten uns diese Verzerrung jetzt bewusst machen und mit der dringend notwendigen Diskussion über die Folgen für die demokratische Kultur beginnen!
Die Originalkolumne ist unter dem Titel "Chancenlos im Netz" erschienen. Sie finden Sie hier.
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