Logo FSU Jena |
Spätestens seit dem (Online-)Wahlkampf von Barack Obama im
Jahre 2008 wird das Potenzial des Internets für die politische Kommunikation
und Kampagnenführung auch in Deutschland breit diskutiert. Insbesondere die
sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube erfahren diesbezüglich einen
Bedeutungsgewinn in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch unter politischen
Akteuren selbst scheint die Einsicht in die Relevanz der sozialen Medien
kontinuierlich zu wachsen: Aktuell pflegen 95% der Bundestagsabgeordneten mindestens ein Profil in den sozialen Medien. Mit dieser Entwicklung
verbunden ist die Frage, wie sich die politischen Akteure in den sozialen
Netzwerken präsentieren.
Erwartet wird, dass Bürger über soziale Medien
substanzielle Informationen über politische Inhalte und Akteure gewinnen
können; andererseits zählen Authentizität und Darstellung von Privatheit zu den
Leitprinzipien sozialer Netzwerke. Ein Abgeordneter sollte demnach nicht ausschließlich als Mandatsträger sondern gleichsam als Privatperson überzeugen
können, um so die Voraussetzung für einen
Dialog auf Augenhöhe zu schaffen. Um herauszufinden, ob und wie dieser
Spagat gelingt, wurden die Profile von 95 Bundestagsabgeordneten untersucht. [1]
Private Angaben der Bundestagsabgeordneten
Zunächst wurde ermittelt, in welchem Maße die Abgeordneten
ihre Profile nutzen, um sich mit rollenfernen Angaben als Privatpersonen darzustellen.
Insgesamt erhalten die Bürger auf den Profilen der Bundestagsabgeordneten einige
Informationen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem politischen Amt
stehen. Jedoch werden auf Profilebene kaum allzu tiefe Einblicke ins
Privatleben gewährt; vielmehr werden Informationen veröffentlicht, die
größtenteils auch auf der Website der Abgeordneten oder auf Wikipedia zu finden sind. So
bekennen sich die Abgeordneten am Häufigsten zu ihrer Heimat, ihren religiösen
Einstellungen oder machen ihren Beziehungsstatus öffentlich, wobei diese Angabe
deutlich häufiger von Abgeordneten mit Privatprofil gemacht wird.
Abb.1: Private Profilangaben der Bundestagsabgeordneten
|
Angaben, welche explizit auf die Freizeitgestaltung und persönliche Vorlieben der Abgeordneten abzielen (bspw. Interesse, Aktivitäten, Lieblingsfilmen und -büchern sowie zu Lieblingsfernsehsendungen) werden selten gemacht. Die Kategorien Lieblingsspiel, Lieblingssportler, Lieblingsmannschaft, Lieblingssportarten sowie inspirierende Personen wurden von keinem der Abgeordneten im Sample angegeben bzw. waren nicht öffentlich einsehbar.
Abb. 2: Rollennahe Profilangaben der Bundestagsabgeordneten |
Neben der Vielfalt an privaten bzw. rollenfernen Angaben
steht den Abgeordneten eine recht überschaubare Anzahl an standardisierten
Möglichkeiten zur Verfügung, Angaben mit mehr oder weniger direktem Bezug zu
ihrer politischen Tätigkeit zu machen.
Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten macht Angaben zu
ihrem aktuellen Arbeitsplatz sowie gut die Hälfte zur Ausbildung, wobei diese
Information deutlich häufiger auf Privatprofilen zu finden ist. Berufliche
Angaben wurden nur von knapp einem Viertel der Abgeordneten gemacht, was
vermutlich der inhaltlichen Überschneidung mit der Angabe zum Arbeitsplatz
geschuldet ist. Knapp ein Drittel der Abgeordneten mit Fanpage macht Angaben zu
ihrem aktuellen politischen Amt – für Privatprofile ist diese Angabe nicht
möglich. Die Darstellung substanzieller politischer Inhalte oder Positionen sieht
die Profil-Architektur von Facebook nicht vor.
Visuelle Selbstdarstellung
Neben den textlichen Möglichkeiten der Selbstdarstellung bietet Facebook seinen Nutzern die Möglichkeit, das Profil mit Bildern zu komplettieren. Besonders Bilder eignen sich dazu, den Eindruck von Authentizität und Privatheit zu transportieren. Andererseits können inszenierte Bilder schnell als solche entlarvt werden und damit die nutzerseitigen Authentizitätserwartungen enttäuschen.[2]
Insgesamt halten sich die natürlichen und inszenierten Bilder in etwa die Waage. Auf Fanseiten ist der Anteil der Inszenierung etwas größer als auf Privatprofilen. Dies gilt gleicher Maßen für Profil- und Titelbilder.
Abb. 3: Visuelle Inszenierung auf Profil- und Titelbildern der Bundestagsabgeordneten |
Formale Voraussetzung für Kontaktaufnahme und Dialog
Weiter wurde untersucht, in welchem Ausmaß die Abgeordneten den Bürgern die formale Möglichkeit zum Dialog auf ihren Profilen einräumen. Die entsprechenden Profileinstellungen sind die notwendige Voraussetzung, dass überhaupt Dialog zwischen Bürgern und Mandatsträgern entstehen kann.
Abb. 4: Formale Möglichkeiten zu Kontaktaufnahme und Dialog mit Bundestagsabgeordneten |
Insgesamt veröffentlicht nur rund ein Drittel der
Abgeordneten eine Telefonnummer. Etwas größer ist die Bereitschaft der
Abgeordneten, ihre Mailadresse anzugeben. Die Abgeordneten zeigen sich
prinzipiell offen für die direkte persönliche Kontaktaufnahme: Nahezu alle der
Abgeordneten bieten den Nutzern die Möglichkeit, sie mit einer
Facebook-Nachricht zu kontaktieren. Die Möglichkeiten zum öffentlichen Dialog
durch Kommentierung räumen deutlich über die Hälfte der Abgeordneten ein; wobei
diese Option in den Profileinstellungen von Fanseiten nicht untersagt werden
kann, die Abgeordneten also ihre Statusnachrichten quasi unter Zwang der
Kommentierung preisgeben.
Auf das Dialogangebot mit dem größten nutzerseitigen
Mitbestimmungspotenzial – nämlich Nutzern das Erstellen öffentlich einsehbarer
Posts auf der eigenen Pinnwand zu gestatten – lässt sich immerhin gut ein
Drittel der Abgeordneten ein, wobei besonders Abgeordnete mit Fanpage diese
freie Form des öffentlichen Dialogs einräumen.
Fazit
Insgesamt präsentieren sich die Abgeordneten vor allem in
ihrer Rolle als Politiker und geben wenig private Informationen preis. Damit
wird der Anspruch auf Darstellung von Privatheit (und dem damit erhofften Abbau
des hierarchischen Gefälles zwischen Mandatsträgern und Bürgern) nur bedingt
erfüllt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass mögliche relevante politische
Inhalte nicht durch die Privatisierung der Profile überlagert werden.
Positiv
ist die überwiegende Offenheit für eine Kontaktaufnahme oder gar den Dialog mit
den Bürgern. Die formale Offenheit sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,
dass dessen tatsächliche Umsetzung vielmals hinter den (optimistischen)
Erwartungen zurückbleibt.
Autor:
Pablo Jost |
Auf Twitter: @pbjost
[1] Die Untersuchung ist Teil der Masterarbeit des Verfassers mit dem
Titel „Politiker im #Neuland – Untersuchung zur Kommunikation von
Bundestagsabgeordneten auf Facebook“. Die Ergebnisse beziehen sich auf eine
Zufallsstichprobe von 49 Fanseiten (52%) und 46 Privatprofilen (48%) von
Bundestagsabgeordneten im Mai 2013. Berücksichtig wurden alle öffentlich
einsehbaren Profilangaben.
[2] Zu den Attributen einer Inszenierung zählen bspw. der Eindruck,
der Politiker und andere Personen widmen ihre Aufmerksamkeit primär der Kamera
oder bestimmte Bildelemente, die darauf schließen lassen, dass es sich um ein
professionelles Fotoshooting handelt - also ein Ereignis, das ausschließlich
zur Produktion von Fotomaterial herbeigeführt wurde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen