Hier das Blog-Crossposting dieser Kolumne.
Noch nie war so viel Social Media im Deutschen Bundestag, wie in der
18. Legislaturperiode: Mehr als 95 Prozent der Abgeordneten nutzen mindestens ein soziales Netzwerk für ihren
Dialog mit dem Bürger. Unter den 631 Parlamentariern gibt es aber 29, die weder
Facebook, Twitter, Google+ oder YouTube nutzen.
Das wirkt heute fast schon anachronistisch. Mich interessiert: Wer
nutzt die Netzwerke nicht und warum?
Die Nichtnutzer
Außer bei den Grünen, die kleinste Bundestagsfraktion, gibt es in jeder
Fraktion Nichtnutzer. Bei den Linken einen, bei der SPD fünf und in der
Unionsfraktion 23. Damit ist die Gruppe der Nichtnutzer mit 7,4 Prozent bei der
CDU/CSU am größten, gefolgt vom Koalitionspartner SPD (2,6 Prozent) und der Linksfraktion
(1,5 Prozent). Betrachtet man den gesamten Bundestag, gibt es aktuell 4,6
Prozent Nichtnutzer.
Durchschnitt: männlich, 57 Jahre alt, Michael Groß (SPD) |
Viele der Nichtnutzer sind zudem „alte Hasen“ im Parlament:
Durchschnittlich sind sie seit mindestens vier Wahlperioden Mitglied des
Bundestages. Interessanterweise befinden sich nur drei Bundestagsneulinge unter
den Nichtnutzern; somit nutzen nur 1,3 Prozent der 231 neuen Mitglieder keine sozialen
Medien. Für Neuparlamentarier scheinen diese Kommunikationskanäle heute zum
Standard zu gehören.
Webseite Minister Dr. Thomas de Maizière (CDU), MdB |
Die meisten Verweigerer kommen aus den Flächenländern NRW (neun),
Bayern und Baden-Württemberg (jeweils fünf). In sechs (meist kleineren)
Bundesländern nutzen alle Bundestagsabgeordneten Social Media.
Demnach lässt sich der durchschnittliche Nichtnutzer in folgenden
Stichworten zusammenfassen: älter, männlich, ländlicher Wahlkreis, Mitglied der
CDU/CSU-Fraktion, Inhaber eines wichtigen politischen Amtes und seit mehreren
Legislaturperioden Mitglied des Deutschen Bundestages.
Die Motive
Für die Nichtnutzung nannten mir die Abgeordneten drei Hauptmotive:
Kein Zeit: Für die authentische und persönliche Nutzung der Netzwerke
fehlt vielen Politikern schlicht die Zeit. Aus diesem Grund haben sie sich
gegen diese Kanäle entschieden. Das ist gerade bei Spitzenpolitikern
nachvollziehbar und begrüßenswert – gerade mit Blick auf die vielen schlecht
gepflegten Profile unter den Abgeordneten.
Datenschutz: Einige der Nichtnutzer führen Daten- und Verbraucherschutzaspekte für ihre Entscheidung an. Ich finde es konsequent, die Abstinenz mit der eigenen politischen Position gegenüber dem Geschäftsmodell der Netzwerke zu begründen, zudem unterstreichen Politiker so die eigene Position mit konkretem politischem Handeln.
Datenschutz: Einige der Nichtnutzer führen Daten- und Verbraucherschutzaspekte für ihre Entscheidung an. Ich finde es konsequent, die Abstinenz mit der eigenen politischen Position gegenüber dem Geschäftsmodell der Netzwerke zu begründen, zudem unterstreichen Politiker so die eigene Position mit konkretem politischem Handeln.
Dialogkultur: Bei einzelnen Abgeordneten zeigten sich allerdings auch starke
Kommunikationsdefizite: Sie wollten über ihr Kommunikationsverhalten keine
Auskunft geben und lehnten ein Interview oder Statement zu diesem Thema ab –
oder antworteten gar nicht erst auf meine Anfrage. Gelebter Dialog sieht anders
aus.
Twitter-Fakeaccount Ronald Pofalla (CDU) |
Besonders skurril ist dabei: Bei vielen Dialogverweigerern gibt es eine
große Nachfrage im Web 2.0. So gefällt mehr als 7000 Menschen der von Facebook erstellte Standard-Eintrag von Wolfgang Bosbach (CDU), Ronald Pofalla (CDU)
besitzt – ungewollt – mehrere aktive inoffizielle Twitter-Accounts, unzählige
Fragen bei abgeordnetenwatch.de warten auf eine Antwort.
Fazit
Politiker müssen Social Media nicht nutzen. Es gibt gute und nachvollziehbare Gründe, die im Einzelfall dagegen sprechen. Kein guter Grund ist es allerdings, wenn ein Politiker es für irrelevant hält, mit Bürgern zu kommunizieren.
Ich habe überhaupt kein Verständnis für Politiker, die die Kommunikation
mit dem Volk vernachlässigen und z.B. auch acht Monate nach der Wahl noch immer
keine eigene Webseite besitzen.
Die Kolumne gibt es in einer gekürzten und inhaltlich etwas veränderten Form auch auf den Webseiten von "politik & kommunikation". Hier.
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