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Um sich in der die Berichterstattung zu positionieren, betreiben die Parteien und ihre Wahlkampfteams ein strategisches Themenmanagement. Die Nachrichtenagenda bildet damit den thematischen Rahmen, über den PolitikerInnen einen Zugang zur medialen Bühne erlangen. Darüber hinaus steckt sie den Kontext ab, innerhalb dessen die WählerInnen die Kompetenzen der KandidatInnen und Parteien beurteilen (vgl. Brettschneider 2005) – für die Grünen wirkt es sich beispielsweise positiv aus, wenn umweltpolitische Fragen in der öffentlichen Wahrnehmung weit oben auf der Agenda stehen, die SPD kann dagegen von sozialen Themen profitieren.
In unserer Studie untersuchen
wir daher die mediale Sichtbarkeit der 4.451 WahlbewerberInnen in den Wochen
vor der Bundestagswahl 2013 (26.08.-22.09.2013) in Verbindung mit den Themen der Berichterstattung. Dafür vergleichen wir
mittels einer
automatische Inhalts- und Themenanalyse die Online-Politikberichterstattung von 33 Tageszeitungen (17.255 Artikel) mit der Berichterstattung in 28 deutschen
General-Interest Blogs (2.195 Beiträge).
Wenige erhalten viel, viele erhalten wenig Aufmerksamkeit
Unsere Auswertung zeigt, dass in einem guten Drittel der Nachrichtenartikel eine/r der KandidatInnen genannt wurde. Dabei werden wenige PolitikerInnen sehr häufig genannt, sehr viele dagegen kaum bis überhaupt nicht erwähnt. Deutlich sichtbar ist der sogenannte Amtsbonus, der offenbar zu einem Aufmerksamkeitsvorteil für die Kanzlerin, die SpitzenkandidatInnen der Parteien und die Mitglieder des Kabinetts führt.
Abb 1. Mediale Sichtbarkeit von WahlbewerberInnen in Nachrichtenartikeln und Blogbeiträgen |
Aktive Abgeordnete = sichtbare Abgeordnete?
Unsere Analyse[i] zeigt, dass die Mitglieder des Kabinetts bzw. Bundestags von einer verstärkten Sichtbarkeit in den Nachrichtenmedien profitieren können. Bei Alter und Geschlecht der KandidatInnen zeigt sich ebenfalls ein signifikanter Zusammenhang, dieser fällt allerdings deutlich hinter dem Amt zurück. Überraschenderweise scheinen sich in Hinblick auf die Aufmerksamkeit der Nachrichtenmedien weder die Aktivitäten auf Twitter, Facebook und Co [ii], noch die sichtbaren Handlungen im Bundestag bezahlt zu machen.
Für die Blogs konnten wir
keine Effekte feststellen – unser Modell, das sich am Forschungsstand
orientiert, ist offensichtlich nicht zur Beschreibung der Daten geeignet. Somit
zeigt sich hier einmal mehr, dass Weblogs nach eigenen Prinzipien funktionieren
und andere Variablen zur Beschreibung erfordern als traditionelle Medien.
Nachrichten berichten über den Wahlkampf, Blogs betonen die Themen
Bisherige Studien zur Präsenz von PolitikerInnen in der Politikberichterstattung (vgl. Kepplinger und Roessing 2005; Krüger et al. 2005; Krüger 2010; Jandura 2011) stellten ebenfalls eine höhere mediale Sichtbarkeit von Regierungsmitgliedern fest und führten diese auf Auftritte im Rahmen von Regierungstätigkeiten zurück.
Die Ergebnisse unserer automatischen Themenanalyse weisen jedoch darauf hin, dass die mediale Sichtbarkeit der WahlbewerberInnen in fast allen Fällen überwiegend aus Berichten zur Bundestagswahl hervorgeht. Allein Außenminister Guido Westerwelle und Innenminister Hans-Peter Friedrich erzielen in anderen Themenbereichen der Politikberichterstattung eine höhere Medienpräsenz.
Eine alternative Erklärung für den Amtsbonus bietet der
Matthäus-Effekt (vgl. Merton 1968): Anerkennung – hier in Form medialer
Aufmerksamkeit – ist demnach nicht
vornehmlich durch aktuelle Leistungen zu erklären, sondern wird umso
wahrscheinlicher, je prominenter eine Person bereits im Vorfeld ist.
Abb 2. Mediale Sichtbarkeit der WahlwerberInnen innerhalb der Themen |
In den Blogs bietet sich erneut ein anderes Bild: Im Gegensatz zu den Nachrichtenseiten kommen hier deutlich mehr Nennungen aus den sonstigen Themen, während der Wahlkampf als Ereignis in den Hintergrund rückt.[iii]
Fazit
Wenige PolitikerInnen erhalten viel Aufmerksamkeit, viele werden von den Medien kaum oder überhaupt nicht beachtet – in diesem Punkt decken sich unsere Ergebnisse mit dem Forschungsstand. In Verbindung mit der automatisierten Themenanalyse deutet sich allerdings für die Nachrichtenseiten an, dass der Amtsbonus für Mitglieder des Bundestags und -kabinetts nicht durch Amtshandlungen in anderen Kontexten zustande kommt, sondern innerhalb des Themas Wahlkampf besteht. Überraschend ist außerdem, dass die Social Media Aktivitäten der WahlbewerberInnen offenbar kaum Einfluss auf ihre Sichtbarkeit in den Online-Nachrichten hat. Weitere Untersuchungen sollten diesen Punkt genauer unter die Lupe nehmen und erkunden, welche (Online-) Aktivitäten mit der Berichterstattung in Zusammenhang stehen.
Das Forschungsprojekt zur medialen Sichtbarkeit deutscher PolitikerInnen wurde in ähnlicher Form auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) präsentiert.
Autoren
Elisabeth Günther |
Elisabeth Günther promoviert am IfK zum Thema innovativer methodischer Zugänge in der Journalismusforschung.
Emese Domahidi |
Prof. Thorsten Quandt |
Direktor des IfK. Unter anderem leitet er Forschungsprojekte zur Diskursanalyse in Social Media, der real- und spielweltlichen Erfahrung von Online-Gamern und zum Thema Cyber-Mobbing an deutschen Schulen.
Literatur
Brettschneider,
F. (2005). Bundestagswahlkampf und Medienberichterstattung. Aus Politik
und Zeitgeschehen, 51-52, 19-26.
Jandura,
O. & Reinemann, C. (2013) Hintergrund: Spätentscheider und Medienwirkungen.
In
Reinemann,
C., Maurer, M., Zerback, Th., Jandura, O. (Hrsg.) Die Spätentscheider.
Medieneinflüsse auf kurzfristige Wahlentscheidungen. (S. 13-34) Springer
VS.
Jandura,
O. (2011). Publizistische Chancengleichheit in der Wahlkampfberichterstattung?
Eine
Untersuchung zur medialen Repräsentation der im Bundestag vertretenen Parteien.
Publizistik, 56, 181-197.
Kepplinger, H.
M. & Roessing, T. (2005). Präsenzen und Tendenzen:
Politische Rolle und
Position als Ursachen der Fernsehberichterstattung.
In E. Noelle-Neumann, W. Donsbach &
H. M. Kepplinger (Hrsg.), Wählerstimmen in der Mediendemokratie: Analysen auf Basis des
Bundestagswahlkampfs 2002 (S. 91-103). Freiburg i. Br.: Verlag Karl Alber.
Krüger,
U. M., Müller-Sachse, K. H. & Zapf-Schramm, T. (2005). Thematisierung der
Bundestagswahl
2005 im öffentlich rechtlichen und privaten Fernsehen. Media Perspektiven,
12, 598-612.
Krüger,
U. M. (2010). Info Monitor 2009: Fernsehnachrichten bei ARD, ZDF, RTL und Sat1.
Themen,
Ereignisse und Akteure. Media
Perspektiven, 2, 50-72.
Merton,
R. K. (1968). The Matthew Effect in Science. Science, 159(3810), 56-63.
.
[i] Die
Daten wurden mittels einer Poisson Regression ausgewertet.
[ii] Um
mögliche Erklärungsfaktoren für die großen Unterschiede in der medialen
Sichtbarkeit der WahlbewerberInnen zu identifizieren, greifen wir im Folgenden
auf zwei externe Datenquellen zurück: Über den Pluragraph-Score nähern wir die Social Media-Aktivität der PolitikerInnen
an, zudem bietet die Zeit Abgeordnetenbilanz einen Indikator für die öffentlich sichtbare
Aktivität der Abgeordneten im Bundestag.
[iii] Durch
die thematisch breite Ausrichtung sind die General Interest-Blogs nur bedingt
mit der Politikberichterstattung der Nachrichtenseiten vergleichbar; für
Folgestudien bietet es sich an, Blogs mit politischem Fokus auszuwählen, um die
hier angedeuteten Tendenzen zu bestätigen.
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