Dies ist ein Gastbeitrag vom Sven-Olaf Peeck, Gründer und Geschäftsführer der Hamburger Agentur crowdmedia. Er berät Unternehmen und öffentliche Einrichtungen rund um das Thema Online-Marketing.
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Im Zuge der Bundestagswahl 2013
habe ich mich bereits mit dem Thema Onlinemarketing und Politik beschäftigt: Sowohl
in einer Umfrage an die Abgeordneten des Bundestags als auch mit ganz konkreten To Dos für den lokalen Eimsbütteler SPD-Kandidaten Nils Annen.
Die
Potentiale liegen für mich als Onliner auf der Hand, dennoch wird zu wenig
gemacht. Ein Effekt, den wir im täglichen Umgang mit Seminarteilnehmern und
Kunden aus der Wirtschaft auch kennen. Man (über-) lebt mit dem Mix an
Marketing- und Kommunikationskanälen, die bereits in der Vergangenheit treue
Dienste leisteten. TV und Plakat, das sind die alten Haudegen, die auch heute
noch die medialen Eckpfeiler im Wahlkampf darstellen. Ich wage zu behaupten,
zusammen mit „Rosen und Kugelschreibern in der Fußgängerzone verteilen“, bilden
sie 90% des Marketing-Mix’ der deutschen Politiker. Muss das so sein? Wie lange kann das
noch so bleiben wenn da draußen digitale Transformation stattfindet und auch
von Entscheidern wahrgenommen wird?
Wie
viele Firmen stellen sich vielleicht auch Politiker und Parteien die Frage, ob
es denn überhaupt sinnvoll ist sich mit
den Online-Medien zu beschäftigen. Websites sind allerorten Standard, keine
Frage. Aber das „Punkten über Inhalte“ und aktiver Austausch mit Stakeholdern
(nicht nur den Wähler-Kunden), ist die Ausnahme und keinesfalls die Regel.
Wir Onliner fassen diese Ansätze
aktuell gerne unter dem Begriff „Content Marketing“
Dazu gehört im Kern die
konsequente Nutzerorientierung die sich äußert durch:
1.
das
Interesse am Austausch mit dem Kunden (aka Wähler)
2.
das aktive Zuhören und Eingehen auf die Fragen der Nutzer
3.
die Bereitstellung
relevanter Inhalte (Information, aber auch Unterhaltung)
4.
die aktive
Verbreitung dieser Inhalte über eigene Kanäle, bezahlte Werbung oder soziale
Medien
Schockstarre Politiker wie Rehkitze im Scheinwerferlicht
Wenn ich mir dieser Tage die
Diskussion um das Video der Grünen Europapolitiker anschaue, dann kann ich verstehen, warum
wenig Enthusiasmus für diese Themen herrscht. Patrick Gensing von publikative.org
fasst es schön zusammen: Eigentlich kann man es nur falsch machen und kassiert
dann von den Medien und Social-Media- Experten hämisches Feedback. Und von den
Social-Media-Experten gibt es mehr als Bundestrainer während der WM.
Post by Patrick Gensing.
Warum
also etwas machen, wenn man eigentlich nur verlieren kann? Logisch, dass viele
es lieber ignorieren. Oder aus meiner Sicht noch schlimmer: „Statt mit menschlicher
Stimme zu sprechen, sich geduckt wie ein Aal im Wind ohne Reibungsfläche durch
das Social Web zu posten.“ So wie unser amtierender Erster Bürgermeister in Hamburg,
Olaf Scholz (SPD).
Wenn nicht authentisch, dann lieber sein lassen: Hamburgs blutleerer Bürgermeister langweilt auf Twitter
Twitter-Profil Olaf Scholz (SPD) |
Fehlt Fehlerkultur und Mut zur Lücke?
Soziale Medien bieten die Chance
Leute zu erreichen, die sonst eigentlich NICHT zu meiner Klientel zählen. Wenn
man denn den Mut zur Diskussion hat und bereit ist Reibungsfläche zu bieten.
Aber die Komfortzone verlassen, dass ist Parteien und ihren Vertretern
scheinbar noch genauso fremd wie Firmen, die in alten Organisations-Silos verhaftet sind.
Wo
online der Mut fehlt, da wurde andererseits zur Europawahl so manches Schmankerl auf die Plakatwände dieser Republik gedruckt.
Es gibt also diesen „Macher“-Gedanken. Irgendwas zwischen „das meinen die nicht
ernst“ bis hinzu „eigentlich ganz süß und hemdsärmelig“ sind die Ergebnisse.
Warum ist dieser Geist nicht bei sozialen Medien da?
Die positiven Alternativen: hemdsärmelig aber anpackend
Ob er jetzt politisch auf meiner
Linie liegt oder nicht, Bodo Ramelow ist einer von denen, die mir auffallen. Ein
bunter Mix, nicht nur Eigenes sondern Informationen, die zu seinem Thema passen,
Informationen und Meinungen. Deutlich weniger PR-Sprech als der Kollege Scholz.
Tweets von Dr. Peter Tauber (CDU) |
Die ungehobenen Potentiale: ein Blick auf den Kanalmix
Ihre Potentiale
werden noch lange nicht optimal genutzt. Vermutlich ein Innovationsdilemma, da
noch Plakate, TV-Spots und Streuartikel die großen Wahlen gewinnen. Eine Frage
der Zeit bis der digitale Wandel auch hier eingesetzt hat.
Wie würde sich ein reiner Onliner dem Thema nähern?
Wie würde sich ein reiner Onliner dem Thema nähern?
Gerade im Mix
sind Online-Kanäle extrem effizient. Kampagnen können in ihrer Reichweite
unterstützt werden, Wähler aktiv eingebunden werden, E-Mailadressen generiert
werden um Besucher zu binden und wieder anzusprechen. Hier einige Gedanken:
Theorie I: Web Monitoring
Zunächst kann
ich Online-Medien nutzen um strukturiert zuzuhören, Informationen zu sammeln
wer, über was und wie oft spricht und aktiv in Gespräche einzusteigen.
Praxis I: Reinhören und zuhören
Rudimentäres
Monitoring über Google Alerts oder die Twitter-Suche könnte so aussehen, dass
ich zentrale Begriffe wie meinen eigenen Namen suche. Am Beispiel Olaf Scholz:
Weil beim Monitoring
(gerade wenn händisch umgesetzt und ausgewertet) weniger immer mehr ist, habe
ich bewusst nur Tweets aus Hamburg betrachtet.
Auf den ersten
Blick sehe ich also eine Presseveröffentlichung bei ZEIT Online zum
Bahnhofsprojekt, ein Lob zur positiven Entwicklung der Integration durch einen
Vertreter der alevitischen Gemeinde und Fragen von Bürgern, von denen ich einen
recht schnell als Politik-Blogger identifizieren könnte.
Mehrere Chancen
ins Gespräch einzusteigen mit relevanten Multiplikatoren. Dazu auch eine Basis
auf der ich überlegen kann, ob und in welche Themen ich aktiv einsteigen werde.
Ist Integration oder der Bahnhof in Altona ein relevantes Thema? Kann ich mit
dem Thema Internetinsel im Rahmen meiner Bemühungen um den Standort Hamburg
punkten bzw. muss ich meine Meinung äußern?
Aus relevanten
Multiplikatoren oder Menschen die zu einem Thema schreiben kann ich eine Liste
in Twitter erstellen, um schnell einen Überblick über die Lage zu erhalten. Die
Twitterliste „Internetinsel“ oder eine Suche nach dem Hashtag #internetinsel könnte
ein nächster Schritt sein um das Ohr am twitternden Bürger zu haben.
Das ist die
Basis für den nächsten Aspekt, die Möglichkeit mit Menschen zu reden.
Theorie II: Interaktion und Inhalte schaffen
Statt marktforschungsgetriebener
Wahlprogramme kann ich also ad hoc auf Themen reagieren und in eigenen
Plattformen wie Blog, Webseite, Social Networks wie Twitter oder Facebook
Stellung beziehen.
Praxis II: Raus gehen und reden
Das ist
selbsterklärend oder? Ich könnte permanent in der virtuellen Fußgängerzone
Rosen verteilen z.B. in dem ich den Neu-Twitterer @BarisOenes begrüße oder in die Diskussion einsteige. Ressourcen-intensiver Ansatz aber mit
Potential. Themen die ich als wichtig erachte, denen widme ich mich ausführlicher
und integriere sie auf meiner zentralen Plattform dem Content oder Storytelling
Hub.
Theorie III: Der Content Hub
Nach meiner
Forschung in sozialen Medien und dem Abgleich mit der Marktforschung, die ich
bestimmt auch in der Schublade habe, hab ich also meine Themen gefunden für die
ich stehen und gefunden werden will. Wo findet das statt? Was ist mein
Storytelling Hub auf dem meine Gedanken gesammelt werden? Leser- und
googlefreundlich gestaltet bildet er die zentrale Plattform auf der ich
gefunden werde und auf die ich aktiv durch Werbung hinweise.
Praxis III: Wie gestalte ich meinen Content Hub?
Der Content
Hub könnte www.olafscholz.de
sein. Aktuell ist die Website noch nicht optimal gelöst, eher eine Sammlung von
Texten die für andere Anlässe gedacht waren. Ein Blogformat, das mehr Lust am
Lesen im Web macht, ist hier sinnvoll.
Texte müssen an
das neue Medienformat angepasst statt stumpf eingefügt werden. Maxime: kurze
Absätze statt Bleiwüste.
Schönes Beispiel
dafür wie es nicht optimal ist: Eine Rede nachlesen, daran haben maximal
Historiker Spaß, also sollte so ein Inhalt für das Internet passend aufgearbeitet werden. Also kurze und prägnante
Aussagen statt Bleiwüste. In diesem Fall vielleicht sogar noch besser: Bewegtbild.
Ich könnte mir
vorstellen, dass es ein Video gibt, wie diese Rede gehalten wurde. Und dass es
irgendwo in der SPD Hamburg jemanden gibt der aus diesem langen Video einen 1
bis 2 Minuten Imagefilm machen kann. Denn auch Bildwüste macht keinen Spaß.
Theorie IV: Wähler binden und Kontakt halten
Ich kann Geld
ausgeben, ich kann gefunden werden via Google, beides gute Optionen.
Mittelfristig sollte ich mich aber in die Lage bringen, selber Kunden Wählerkontakt zu haben. Also will ich in
Ergänzung E-Mail Marketing betreiben: eine kostengünstige Möglichkeit mit Wählern
im Kontakt zu bleiben. Oft tot gesagt aber trotzdem ein performanter Kanal.
Praxis IV: Adressgenerierung, Segmentierung und Nurturing von Interessenten
Schritt 1:
Newsletter-Anmeldungen generieren
Auf meinem
Storytelling Hub will ich E-Mailadressen einsammeln, wie geh ich da am
schlausten ran? Prominente Einbindung eines Störers auf der Website, Icon in
der Navigation oder auch als Layer der nach einer gewissen Zeit auftaucht. Ich
hör euch jetzt „uuugh nervig denken“ liebe Leser aber denkt dran: Ihr seid
nicht das Internet. Daher testet man sowas. Wenn die Abbruchrate hoch ist, dann
lässt man es wieder, wenn die Zahl der generierten E-Mailadressen steigt: Weiter
testen mit größerem Störer der blinkt und Geräusche macht (<= unverbindliche
Idee!)
Werfen wir auch
hier wieder einen Blick auf Olaf Scholz, so richtig ernst meint der das aus
meiner Sicht nicht, könnte man besser machen. Ich würde ganz einfach ein
Formular mit einem kurzen Text was mich erwartet („Abonnieren sie meinen wöchentlichen
Newsletter zur Hamburger Lokalpolitik“), einem Textfeld für die E-Mailadresse
und den Button „Newsletter abonnieren“ einbauen. Alle Details kann ich später
noch abfragen.
Newsletterbestätigung olafscholz.de |
Warum nicht die
letzten Newsletter hier als Übersicht bereitstellen? Dann muss der User nicht
auf den nächsten warten sondern kann den von gestern direkt lesen?
Schritt 2: Relevante
Inhalte senden
Wenn man es
richtig gut machen will: Dann gilt es zu segmentieren und die passende
Newsletter gestalten. Denkbar wäre also eine Trennung z.B. nach SPD-Mitgliedern,
Journalisten, Alterssegmenten (Neuwähler vs. Rentner) oder nach Stadtteilen/Bezirken.
Wenn ich das
nicht leisten kann oder so kleine Segmente rauskommen, dass der Arbeitsaufwand
nicht in Relation steht, dann muss ich das über meinen Themenmix im Newsletter
steuern und für jeden Fisch einen Köder einbauen
Theorie V: Reichweite aufbauen durch bezahlte Werbung
Wir haben Themen
identifiziert, auf unserem Storytelling Hub drüber berichtet und bieten unseren
Nutzern dort die Chance sich unsere Newsletter zu abonnieren, damit wir in dran
bleiben können.
Jetzt wird es
Zeit für den Reichweitenaufbau. Bezahlte Werbeformate bieten mir die Chance
meine Botschaft zu verbreiten sei es als klassisches Display Anzeige oder
Werbung in Suchmaschinen.
Gerade Werbung
wie Google AdWords ist hier extrem wertvoll, da es Fragen beantwortet,
die User haben und der Suchmaschine Google stellen - wie kann ich es mir da
leisten NICHT mit meiner Meinung dort aufzutauchen?
Praxis V: Inhalte gezielt bewerben
Für Olaf Scholz
bietet es sich aus meiner Sicht an, seinen eigenen Namen sowie die ausgewählten
Fokusthemen (aus Schritt 1) zu bewerben. Auch bei kritischen Themen könnte ich
aufsuchen und per Anzeige beim Begriff „Elbphilharmonie“ oder „Lampedusa“ meinen
Content Hub und meine Sicht der Dinge platzieren.
Googles Display Netzwerk bietet ergänzend die Möglichkeit auf thematisch passenden Seiten
aufzutauchen. Wenn ich die Wörter wie „Kita, Kindergarten, Hamburg, KITA Platz“
lande ich auf Seiten die von Menschen geschrieben und gelesen werden, die
dieses Thema bewegt. Gute Möglichkeit, meine Sicht der Dinge dort zu
platzieren.
Liebe
Politiker, das wären ein paar Ideen von mir, ich bin gespannt wie sie ankommen
und freue mich auf Frage und Anmerkungen.
Autor
Sven-Olaf Peeck |
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