Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Thomas Roessing und Dr. Nikolaus Jackob vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
1. Hintergrund, Fragestellung und Hypothesen
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Für Politiker stellt sich deshalb die Frage, ob es ihrem Ansehen nutzt oder schadet, wenn sie unpolitische Anmerkungen oder gar persönliche Informationen und Privates posten. Bereits in der traditionellen politischen Kommunikation gab es Trends zu Berichterstattung über Privates. Dabei handelte es sich einerseits um gezielte Inszenierungen, beispielsweise für die Verwendung in Wahlwerbespots. Andererseits erlaubten oder ermunterten Politiker Reporter, über Privates zu berichten. Solche Einblicke ins Private sollten Volksnähe und Offenheit demonstrieren.
BUNTE-Titel mit Rudolf Scharping, Quele: Thüringer Blogzentrale |
Offenbar können Einblicke ins Privatleben neben der
angestrebten positiven Wahrnehmung der Person auch negative Auswirkungen auf
die Wahrnehmung eines Menschen als Politiker haben. Das ist die Grundannahme
unserer experimentellen Untersuchung.
Privates auf Facebook
In unserer Studie sind wird folgender Frage nachgegangen: Haben private Beiträge im Facebook-Profil eines Politikers einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Politikers als Person oder als Politiker oder auf die Wirkung seiner Beiträge selbst?
Dabei sind wir von drei Annahmen (Hypothesen) ausgegangen:
Erstens: Private Beiträge im Facebook-Profil führen dazu,
dass die Funktion der Person als Politiker weniger positiv wahrgenommen
wird.
Zweitens: Private Beiträge im Facebook-Profil lassen die Person des Politikers positiver wirken.
Drittens: Die eigentlichen Beiträge im Facebook-Profil werden in Abhängigkeit vom Faktor „privat/politisch“ unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem, ob es um Persönlichkeitseigenschaften (z. B. vertrauenswürdig) oder inhaltliche Dimensionen (z. B. informativ) geht.
Zweitens: Private Beiträge im Facebook-Profil lassen die Person des Politikers positiver wirken.
Drittens: Die eigentlichen Beiträge im Facebook-Profil werden in Abhängigkeit vom Faktor „privat/politisch“ unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem, ob es um Persönlichkeitseigenschaften (z. B. vertrauenswürdig) oder inhaltliche Dimensionen (z. B. informativ) geht.
Experiment
Wir testeten die genannten Hypothesen im Rahmen eines Online-Experiments, das im Sommersemester 2013 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt wurde. Insgesamt 73 Probanden wurden parallelisiert auf zwei experimentelle Bedingungen verteilt. Die erste Gruppe betrachtete das politisch-privat gestaltete Facebook-Profil des fiktiven Europaabgeordneten Johann Huber. Dieses Profil enthielt sowohl im Informationskasten, als auch bei den eigentlichen Profilpostings private Informationen. Im Info-Kasten hieß es beispielsweise, dass Huber gern segelt, Ski fährt und Zeit mit seiner Familie verbringt. Postings auf dem eigentlichen Profil handelten vom Geburtstag seiner Tochter oder dem Besuch eines Schützenfestes.
Die zweite Gruppe sah dasselbe Profil, allerdings mit ausschließlich sachlich-politischen Beiträgen (z. B. zu den Themen Steuerhinterziehung oder Datenschutz). Die verschiedenen Varianten des Facebook-Profils gestalteten wir mit Graphik- und Layout-Software. Die Profile waren also nie öffentlich im Internet zu sehen. Nachdem sie die angeblichen Facebook-Profile eingehend betrachtet hatten, füllten die Probanden einen Online-Fragebogen aus, der insgesamt 26 fünfteilige Skalen zu den drei Dimensionen Person, Politiker und Beiträge enthielt.
Ergebnisse
Johann Huber wirkt als Politiker lediglich weniger sachlich (Mittelwerte 2,78 und 3,53, p<.05) wenn er private Postings unter seine politischen Beiträge mischt. Auf seine Wahrnehmung als seriös, vertrauenswürdig, gründlich, kompetent und professionell haben die privaten Informationen keine signifikanten Auswirkungen. Das gilt interessanterweise auch für die Wahrnehmung Hubers als volksnah.
Die privaten Beiträge haben auf die Wahrnehmung Johann Hubers überhaupt
keine signifikanten Auswirkungen – also auch nicht die positiven, die Politiker
sich von solchen Inhalten möglicherweise erhoffen.
Die Rezeption von Hubers Beiträgen selbst illustriert Schaubild 1:
Mischt er Privates unter seine politischen Beiträge, so erscheinen seine Beiträge
insgesamt deutlich negativer als bei einem rein politischen Facebook-Auftritt.
Sie sind unprofessioneller, inkompetenter, weniger sachlich, weniger nützlich,
weniger interessant und weniger informativ.
Schaubild
1: Rezeption der Facebook-Beiträge (* bedeutet: Unterschied ist signifikant auf
dem .05-Niveau)
Fazit
Politiker sollten sich sehr genau überlegen, ob sie Privates bei Facebook posten. Diese Untersuchung konnte keinen einzigen Vorteil identifizieren, den „Johann Huber“ vom Veröffentlichen privater Informationen gehabt hätte. Im Gegenteil: Seine Beiträge werden weniger positiv wahrgenommen, private Informationen haben keinen Einfluss auf seine Wahrnehmung als Person und verschlechtern seine Wahrnehmung als sachlicher Politiker.
Allerdings sind bei der Interpretation der Befunde einige
Besonderheiten zu beachten.
Gegenstand der Untersuchung war ein fiktiver, männlicher
Europapolitiker aus Österreich, während die Probanden deutsche Studierende
waren. Es ist unbekannt, ob private Beiträge eines jüngeren Politikers mit
anderem politischen Hintergrund möglicherweise anders wahrgenommen werden. Wir
wissen auch nichts über die genaue Wirkung
unterschiedlicher privater Informationen. Wie würde Johann Huber wahrgenommen,
wenn er andere private Informationen verbreitet hätte, z. B. über seinen Hund?
Das einfache experimentelle Design liefert auch keine Informationen zur
Wirkung des Info-Kastens im
Vergleich zum eigentlichen Profil.
Zuguterletzt berücksichtigt die Untersuchung nicht, dass manche Politiker ein
berufliches und ein privates Profil haben, unterschiedliche Informationen also
auf zwei Kanäle verteilen, auf denen die Leser jeweils unterschiedliche Inhalte
erwarten. Für ein aussagekräftigeres Bild wäre folglich eine größere Zahl
komplexerer Experimente nötig. Dennoch legen unsere Befunde den Eindruck nahe,
dass Privatisierung nicht in allen Kontexten und zu allen Zwecken ein
nützliches Mittel für politische Selbstdarstellung ist.
Literatur
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der Privatisierung des Politischen. In C. Schicha & C. Brosda (Hrsg.), Politikvermittlung
in Unterhaltungsformaten (Ikö-Publikationen, Bd. 3, S. 134–151). Münster:
LIT.
Autoren
Dr. Thomas Roessing |
Dr. Nikolaus Jackob |
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