Wahlbeobachter in den Medien

Montag, 22. Dezember 2014

Best Practice in der Politik: Wie Lars Castellucci auf Facebook Millionen Bürger mit Fakten erreichte

Dies ist ein Gastbeitrag von Robin Mesarosch. Er ist Mitarbeiter des SPD-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Castellucci aus Wiesloch und u.a. für dessen digitale Öffentlichkeitsarbeit und demokratiepolitische Themen zuständig. Er verantwortete auch das hier beschriebene Best Practice-Beispiel zur erfolgreichen Nutzung von Facebook in der politischen Kommunikation.  

Screenshot
Erfolgreiches Facebookposting von MdB Prof. Castellucci (SPD)
Virale Facebookposts sind meistens Aufnahmen von süßen Tierbabys, virtuosen Künstlern oder Menschen, die offenkundig etwas furchtbar Bescheuertes tun.
Fakten-Grafiken von Politikern – insbesondere von deutschen – waren bislang selten bis niemals Ausgang eines Social-Media-Hypes.

Am 10. Dezember stellte ich eine Grafik mit fünf Fakten über Flüchtlinge auf die Fanpage des Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Lars Castellucci. Nur Text und ein Verlauf im SPD-Corporate-Design, mehr nicht. Inzwischen zeigt der Zähler eine Reichweite von 1.984.000 Personen an (Stand 22.12.2014). Der Post wurde insgesamt 15.343 Mal geteilt. Zum Vergleich: Der am meisten geteilte Post der Bundeskanzlerin erzielte 5.525 Shares. Sie hat über 900.000 Fans, unsere Fanpage knapp 2.000.

Beachten muss man auch die Screenshots, die nicht in der Statistik auftauchen. Derart entspannt mit dem Urheberrecht ging auch der diesjährige Comedypreisträger Ingmar Stadelmann um, auf dessen Fanpage der Screenshot unserer Grafik nochmal 6.347 Mal geteilt wurde. Die tatsächliche Reichweite der Information liegt aktuell also zwischen zwei und drei Millionen Personen.

Das Außergewöhnliche an dem Post ist nicht die Reichweite. Da gab es schon höhere Zahlen. Das Außergewöhnliche ist, wie viele Menschen ein Post erreicht hat, der nur aus einer SPD-farbigen Grafik mit viel Text voller Zahlen und ohne Bild besteht. In diesem Beitrag möchte ich zeigen, warum unser Post nicht trotz, sondern gerade wegen seiner handbuchwidrigen Konzeption erfolgreich war und was man daraus lernen kann.

Foto:
MdB Prof. Castellucci (SPD) zu Besuch im Flüchtlingsheim Walldorf
Ziel des Posts war: Er sollte Menschen mit Argumenten versorgen, die in einer auf beiden Seiten hochemotional geführten Einwanderungsdebatte - „Gutmenschen“ gegen Nazis -  nicht mehr sprachfähig waren, ihre zuwanderungsfreundliche Position zu verteidigen.
Für einen selbst reicht es ja vollkommen aus, wenn man dieses vage Bauchgefühl hat: „Da fliehen Menschen, die von Krieg, Tod und Folter bedroht sind – lasst uns ihnen helfen, wir können es.“ Es ist aber überaus unbefriedigend, wenn man von einem Einwanderungsgegner ein Argument um die Ohren gehauen bekommt und nichts erwidern kann. Das liegt oft daran, dass gerade Rechtspopulisten mit ihrem sehr kreativen Verständnis von Wahrheit Fakten frei erfinden, auf die sie dann alles stützen. Wer nicht sofort mit den tatsächlichen Fakten kontern kann, droht schnell das Streitgespräch zu verlieren, fühlt sich unwohl oder ist im schlechtesten Fall sogar verunsichert.

In den zahlreichen Reaktionen auf den Post habe ich bei sehr vielen Menschen Dankbarkeit dafür gespürt, endlich neue Argumente an die Hand zu bekommen, um ihre Haltung nach außen wirksam vertreten zu können.

Entwicklung Pegida-Facebookseite via Pluragraph.de
Ebenfalls wichtig war uns, nicht vorwurfsvoll den Zeigefinger zu heben oder Leute als dumm oder als Nazis abzustempeln. Sowas hilft keinem. Die lautwerdenden Nazirufe führen nur dazu, dass eine eigentlich sehr heterogene Bewegung wie Pegida eine starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt, radikalisiert und interessant gemacht wird. Auch muss man akzeptieren, dass dort Menschen mitlaufen, die mit rechten Ideologien nichts am Hut haben, sondern ihre eigenen Ängste und Sorgen auf Fremde projizieren. Das ist nicht gut, aber menschlich. Klar dürfen sie nicht zum Maßstab für Politik werden, aber an ihnen sollte man auch nicht die Gesellschaft spalten.

Zuletzt war es nicht unser Ziel, die Pegida-Anhänger selbst umzustimmen. Wir wollten zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Einen Proteststurm hat noch keiner niedergeschrien.

Diese Konzeption leitet sich konsequent aus meinem Verständnis von politischer Kommunikation ab.
Ich bin überzeugt: Menschen darf man nicht über- aber eben auch keinesfalls unterfordern. Das heißt es, Menschen ernst zu nehmen. Es lässt sich noch jeder komplexe Sachverhalt verständlich darstellen und das sollte man auch tun. Bei politischen Forderungen muss es dazugehören, zugrundeliegende Argumente und Gedanken aufzuzeigen. Das ist in keinster Weise nur für Akademiker interessant – im Gegenteil! Gerade Menschen, die politisch weniger belesen und eher analyseschwach sind, profitieren davon und können so für politische Positionen begeistert und überzeugt werden.

Das Design der Grafik spiegelt genau das wieder. Es geht nicht um Effekte oder um tolle Sprüche. Es geht um verständliche Fakten, die uns alle betreffen.

Quelle: Hamburger Wahleboachter für UdL Digital
91 Prozent der MdB besitzen einen Facebook-Account
Ja, Facebook ist ein Ort der Katzenbilder und der gephotoshopten Mittagessen. Es ist aber auch ein Ort, an dem ganz unterschiedliche Leute miteinander debattieren: Arm mit Reich und Jung mit Alt. Das ist keine humanistische Wunschvorstellung, sondern Realität. Politiker allerdings sind selten ein relevanter Teil dieses politischen Diskurses. Dabei waren die Möglichkeiten noch nie so gut, mit den Menschen zu diskutieren, für Positionen zu werben und Informationen zu verbreiten wie heutzutage auf Facebook. Das klappt natürlich nicht, wenn man nur postet „War in XY. Spannende Diskussion.“ oder „Zukunft ist wichtig.“ Wer mitdiskutieren will muss eigene Argumente und Gedanken einbringen. Das ist auf Podiumsdiskussionen so, im Bürgergespräch und auf dem Marktplatz – nur auf Facebook hören viel mehr Menschen zu.

Auch ich mache das in meiner Arbeit noch zu selten richtig. Aber ich fühle mich durch den Erfolg unseres Posts einmal mehr darin bestärkt, dass die Politik Facebook stärker als ein Diskussionsforum denn als Schaufenster begreifen muss. Und dass sachliche Argumente auch die Kraft haben, Katzenbilder zu schlagen. Die vielen Nachrichten von Facebook-Nutzern haben mir das bestätigt.

Mein Appell: Politiker müssen sich auf Facebook ihrer ganz eigenen Rolle bewusst werden. Platte Lebensweisheiten posten Teenager. Politik muss nicht hip, sondern relevant sein. Für einen politischen Diskurs ist Facebook die ideale Plattform. Lasst uns das nutzen.


Autor

Robin Mesarosch
Robin Mesarosch (23) studierte an der HdM Stuttgart Werbung und Marktkommunikation, mittlerweile studiert er Jura in Berlin. In Baden-Württemberg leitete er die Wahlkämpfe eines Landtags- und eines Oberbürgermeisterkandidaten sowie die digitale Kampagne einer Stadtratsfraktion bei der Kommunalwahl. In seiner Schulzeit organisierte er in einer schwäbischen Kleinstadt mit 16.000 Einwohnern die größte Anti-Atomkraft-Demonstration innerhalb einer bundesweiten Campact-Aktion und mobilisierte über 2.000 Schüler für den Bildungsstreik. Als Mitarbeiter von MdB Prof. Dr. Castellucci (SPD) ist er u.a. für dessen digitale Öffentlichkeitsarbeit und demokratiepolitische Themen zuständig. Deutschlandweit feiert er als Poetry Slammer und Moderator Erfolge.



3 Kommentare:

  1. Politiker müssen sich auf Facebook ihrer ganz eigenen Rolle bewusst werden.

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  2. Gelten diese Anforderungen z.B. auch für den deutschen Google-Markt? Dieser Artikel ist unglaublich interessant für SEO, vielen Dank!

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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