Wahlbeobachter in den Medien

Dienstag, 9. Dezember 2014

Online-Marketing im Wahlkampf: Wie man mit Online-Kampagnen Wähler adressiert

Dies ist ein Gastbeitrag von Benjamin Birkner und Viktor Zawadzki. Beide haben 2013 die Online-Kampagne zum Bundestagswahlkampf von Bündnis 90/Die Grünen durchgeführt. Damals bestand ihr Auftrag darin, deutschlandweit grünenaffine, wechselwillige Wähler zu mobilisieren. In ihrem Gastbeitrag zeigen sie die neuen Möglichkeiten im Online Marketing, die sich Parteien durch die technologische Weiterentwicklung inzwischen bieten und diskutieren diese am Beispiel der Hamburger Bürgerschaftswahl 2015.


Wahlkampf und Online-Marketing: Je feingliedriger, desto moderner


Logos Die Onlinefabrik & Spree7
Seit den 70er Jahren werben Parteien immer personenbezogener um potenzielle Wähler. Zu Anfang konzentrierten sich die Strategen auf Wohnadressen, bereits in den 90ern standen jedoch bestimmte Konsumenten und Kleingruppen im Fokus. Potenzielle Wähler werden seitdem sukzessive detaillierter identifiziert und datenbankgestützt sowie mit Hilfe von statistischen Modellen individuell angesprochen. Die Kampagnen laufen, nach strategischer und kreativer Planung durch Mediaagenturen und Anbieter von Realtime Advertising-Technologien, automatisiert. Intelligente Algorithmen überwachen die Ergebnisse kontinuierlich und optimieren die Kampagne auf besonders erfolgreiche Profile, Werbeflächen oder -zeiten. Die Zielgruppe kann nach und nach immer exakter mit digitaler Außenwerbung, Radio- und Fernsehspots, Online-Banner sowie Online-Videos oder Social Media-Werbemittel angesprochen werden.

Innovatives Konzept aus Kreation und Technik nötig


Screenshot mit 4 Fragen
Umfragebanner zur Grünen-Kampagne 2013
Ein konkretes Beispiel: Das Ziel für den Bundestagswahlkampf der Partei „Die Grünen“ war, nur parteiaffinen und gleichzeitig noch unentschlossenen Wählern passende Botschaften zu zeigen. Dafür wurde mit einem Online-Umfragebanner auf unterschiedlichsten Websites abgefragt, ob sich der Betrachter bereits für eine Partei entschieden habe. 

Die technischen Merkmale der Personen, die sich unentschlossen zeigten, wurden anonym erhoben und zu einer Schablone verdichtet. Die thematisch auf die Umfelder abgestimmten Wahlkampfanzeigen der Grünen wurden in der Folge nur noch Personen mit passendem Profil gezeigt. Die Umfrage blieb während der gesamten Kampagnen aktiv. So konnte die Zielgruppe immer genauer angesprochen werden.


Am Anfang steht die Mobilisierung


Bei allen technischen Veränderungen ist eines bis heute gleich geblieben: Am Anfang der Kampagne steht die Frage, wie die eigenen Wähler dazu gebracht werden können, ihre Stimme abzugeben. Um dieses Ziel zu erreichen, reicht es nicht länger, nur Botschaften auszusenden. Es gilt, sie persönlich erlebbar und den Mehrwert der politischen Position der Partei deutlich zu machen. Die Interaktion wird dabei zum Gradmesser des Erfolgs – im Online-Bereich kann das beispielsweise ein Klick auf ein Werbemittel oder der Download vertiefender Infos sein.

In der Praxis: Die Hamburger Bürgerschaftswahl 2015


Anfang 2015 findet die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft statt. Eines der drängendsten Themen ist der Verkehr: Diskutiert wird unter anderem über Bussystem, Ampelschaltungen und Fahrradwege. Das Thema bietet sich für eine moderne Online Marketing-Kampagne einer Partei zur Wahl an, denn im Laufe jeden Tages gibt es viele Möglichkeiten, die eigene Zielgruppe mit relevanten, zur Situation passenden Botschaften anzusprechen und eine Interaktion zu herbeizuführen.

Eine solche Kampagne könnte sich in zwei Phasen gliedern:

        1. Die Recherche: Wer ist wo?


Vergrößern: Teilbares, dynamisches Werbemittel
Media- und Wählerstudien bilden Eigenschaften und Gewohnheiten ab, die die potenziellen Wähler der jeweiligen Partei auszeichnen. Ein Beispiel zum Thema Verkehr: Wer nutzt den öffentlichen Nahverkehr, das Fahrrad oder das Auto? Aus den Antworten lassen sich Rückschlüsse ziehen, welche Wählersegmente tendenziell wo und wie erreichbar sind. In den ausgewählten Gebieten erhält die Zielgruppe die Kernbotschaften direkt auf das eigene Smartphone oder sieht sie auf digitalen Außenwerbeflächen. Um die Wirkung der Werbung zu erhöhen, bezieht sich die Aussage des Werbemittels idealerweise direkt auf die Situation, in der sich der Nutzer befindet.


  2. Interaktion und Optimierung


Vergrößern: Dynamisches Werbemittel mit weiterführendem Link
Innerhalb von Echtzeit-Kampagnen kann daran, ob und wie die angesprochenen Nutzer auf die Werbemittel reagieren, erkannt werden, ob die richtige Zielgruppe erreicht und der Ton getroffen wurde. Beispielsweise werden Klicks und Verweildauer oder die Eingabe von Informationen in Formularfelder analysiert. Ein starker Parameter kann sein, ob und in welcher Form die Botschaften in sozialen Netzwerken geteilt werden. Über die Interaktionen werden dann weitere potenzielle Wähler sichtbar. Deren Merkmale können wiederum dafür genutzt werden, die Ansprache von bisher unbekannten Mitgliedern der Zielgruppe zu optimieren.

Butter bei die Fische: Wer, wann und wo?


Wir bleiben bei den Grünen und denken uns eine Hamburger Bürgerin, die morgens mit der U-Bahn zur Universität fährt. Entsprechend ist die potenzielle Grünen-Wählerin tendenziell mit dem Nahverkehr oder auf fahrradfreundlichen Nebenstraßen unterwegs und während der Strecke offen für unterschiedlichste Botschaften. Anschließend eignen sich Online-Banner auf Informationsportalen mit regionalem Bezug, beispielsweise zu Artikeln über Studiengebühren oder Professorenmangel. Zum Vergleich: Den potenziellen CDU-Wähler würde man, polemisch formuliert, eher im Mercedes im Stau erwarten. Er wäre eher über ausgewählte Außenwerbeflächen entlang einer Hauptverkehrsstraße oder über Werbeformate innerhalb bestimmter Apps erreichbar, die er während der Wartezeit konsumiert. In beiden Fällen bieten Online-Werbemittel zudem die Chance, mit dem potenziellen Wähler zu interagieren. 

Ein weiteres Beispiel illustriert, wie viele werbefähige Kanäle potenzielle Wähler inzwischen fast stündlich begleiten:

  Eine größere Ansicht der Tabelle ist hier möglich:  

Online-Marketing bewegt, wenn es richtig eingesetzt wird


Echtzeitmarketing und crossmediale Aussteuerung der Kampagneninhalte sorgen dafür, dass die definierte Zielgruppe immer präziser und wirkungsvoller angesprochen wird, mit der Botschaft interagieren und sich so tiefgründiger mit dem Thema beschäftigen. Die Vorteile gegenüber klassischen Kampagnen: Das verfügbare Budget wird optimal ausgenutzt und es findet eine effektstarker Dialog mit der Zielgruppe statt.


Autoren

Benjamin Birkner

Portraitfoto
Benjamin Birkner ist Head of Business Development der Full-Service Onlinemarketing Agentur Die Onlinefabrik. Der 32-Jährige ist Experte und Vordenker sowohl für Konzeption als auch technologische Umsetzung von Branding- und Performancekampagnen und verantwortet die strategische Weiterentwicklung des 2010 gegründeten Unternehmens. In seiner Funktion berät der studierte Politologe Kunden wie Bündnis 90/Die Grünen, die Versicherung AOK Baden-Württemberg, den Deutschen Anwaltverein und Thüringer Energie in allen Fragen des Online-Marketings und Campaignings.

Viktor Zawadzki

Portraitfoto
Viktor Zawadzki  ist Geschäftsführer der Spree7 GmbH, dem Trading-Desk-Service für die effiziente Steuerung digitaler Medien in Echtzeit. Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem weiteren Ausbau des operativen Geschäfts in Europa, auf Business Development, Consulting und Product Development. Der Diplom-Volkswirt war in früheren Stationen im Umfeld des Inkubators Rocket Internet tätig. Als Head of Display Marketing and Cooperations verantwortete er Display, Real-Time Bidding, Facebook, Mobile, Remarketing und Online-Kooperationen für die Portale eDarling und SHOPAMAN, zuvor war er langjährig in ähnlicher Funktion für Jamba! GmbH aktiv. Der Online-Marketing-Experte lebt und arbeitet in seiner Wahlheimat Berlin.

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