Sonntag, 22. Februar 2015

Social Media im Bürgerschaftswahlkampf: Wem folgen die Kandidat/innen?

Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Jan-Hinrik Schmidt und Christoph J. Beyer vom Hans-Bredow-Institut Hamburg. Er ist der dritte Teil einer Reihe von Analysen und Ergebnissen eines Forschungsprojektes zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2015 in Zusammenarbeit mit Prof. Thorsten Faas (Universität Mainz), dem Portal PolitikTweetsHH sowie dem Hamburger Wahlbeobachter. 

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Der Wahlkampf zur Hamburgischen Bürgerschaft ist zu Ende, doch die Auswertungen im Rahmen unseres kleinen Forschungsprojekts zu den Social-Media-Aktivitäten der Kandidierenden gehen weiter. Nach den Bestandsaufnahmen zu Twitter und zu Facebook stellen wir im heutigen Beitrag einige Befunde zu den „Twitterrepertoires“ vor.

Dies bedarf aber einer kurzen einführenden Erläuterung (erfahrene Twitter-Nutzer/innen können den folgenden Absatz überspringen):
Das wesentliche Prinzip, um den Informationsfluss und die Kommunikation auf Twitter zu strukturieren, ist die „Friend-Follower-Beziehung“. Sie lässt sich mit dem Abonnieren der Tweets einer Person vergleichen; folgt Nutzerin @anja dem Account von Nutzer @bertram, werden dessen Tweets zusammen mit den Tweets aller anderen Accounts, denen @anja folgt, in ihrer Timeline angezeigt. In der Terminologie von Twitter ist @anja ein „Follower“ von @bertram, und umgekehrt ist @bertram ein „following“ (so heißt es im Interface) bzw. ein „friend“ (so heisst es in der API) von @anja. Diese Beziehung ist nicht zwingend reziprok - @anja kann @bertram folgen, ohne dass @bertram wiederum @anja zurück folgen muss.

Viele Studien und Analysen zu Twitter konzentrieren sich auf den „Follower“-Aspekt dieser Beziehung, z.B. in Rankings, welche Accounts weltweit die meisten Follower haben. Dahinter steckt die Vorstellung, dass sich in der Follower-Anzahl Merkmale wie kommunikative Reichweite, Popularität oder Einfluss ausdrücken. Implizit wird mit dieser Perspektive Twitter-Kommunikation als Variante des „Broadcasting“ verstanden: Ein „Sender“ verbreitet seine Botschaft an mehr oder weniger viele „Empfänger“.

Mit dem Konzept der „Twitterrepertoires“ kehren wir diese Sichtweise um: Uns interessiert der einzelne Twitter-Account nicht als Sender, sondern als Empfänger von Informationen. Aus welchen Quellen speist sich die Timeline von @anja? Neben @bertram folgt sie ja auch noch anderen Accounts – wie viele sind das und aus welchen Bereichen stammen diese Accounts? Sind es Accounts anderer Kandidierender, politischer Parteien oder Organisationen, publizistischer Anbieter, von Privatpersonen, Unternehmen oder Celebrities?

Welchen Twitteraccounts folgen die meisten Kandidierenden?


Zu diesem Zweck haben wir am 20. Januar 2015 für die Anfang des Jahres recherchierten 253 Twitteraccounts von Kandidierenden über die Twitter-API (Schnittstelle) abgefragt, welchen anderen Accounts diese folgen. Für insgesamt 230 Accounts konnten wir diese Informationen ermitteln; die übrigen Accounts waren entweder weiterhin inhaltlich nicht klar der kandidierenden Person zuordenbar (10), waren geschützt (9) oder folgen keinem anderen Account (4).

Infografik Balkendiagramm
Infografik: Welchen Twitteraccounts folgen die meisten Kandidierenden bei der Hamburgwahl?
Im Durchschnitt folgt jeder der 230 Kandidierenden fast 300 Accounts (299,6; Standardabweichung: 523,9), wobei Kandidatinnen einen etwas höheren Durchschnittswert (349,6; Standardabweichung 686,2) als Kandidaten (277,8; Standardabweichung  435,3) haben. In der Summe sind das knapp 70.000 einzelne Friend-Beziehungen, die auf knapp 35.000 einzelne Accounts entfallen. Etwa drei Viertel dieser Accounts (26.530 von 34.739 Accounts) tauchen nur einmal im Datensatz auf, werden also nur von einem Kandidaten oder einer Kandidatin „verfolgt“.

Wem folgen die Kandidierenden? 


Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass es Accounts gibt, denen mehrere Kandidierende folgen. Welches sind die in diese Hinsicht „populärsten“ Twitter-Quellen für die Kandidierenden? An der Spitze steht @buergerschaftHH, denen 101 Kandidierende auf Twitter folgen, das entspricht knapp 44 Prozent der untersuchten Personen. Auf den weiteren Plätzen folgen ganz unterschiedliche Typen von Accounts, darunter z.B.

Infografik Balkendiagramm
Infografik: Twitter-Accounts lokaler Medien
Als nächsten Analyseschritt haben wir alle Friends an einer Liste von 105 Twitter-Accounts lokaler (d.h. auf Hamburg fokussierender) Medienangebote abgeglichen, die wir im Zuge des Projekts zusammen gestellt hatten; darunter sind die Twitter-Accounts der lokalen Tageszeitungen, Radio- und TV-Sender genauso wie die Accounts von lokalen Onlineportalen (ohne Ableger in Print oder Rundfunk) sowie von Blogs mit lokalem Fokus.

Wie vielen Twitteraccounts lokaler Medien folgen die Kandidierenden? 


Im Durchschnitt folgen die Kandidierenden 4,2 Accounts aus dieser Liste, wobei sich dieser Wert wiederum rechnerisch vor allem aus Lokalzeitungen (durchschnittlich folgen die Kandidierenden 1,32 solchen Accounts) und „Online-Only-Portalen“ (1,2 Accounts) zusammensetzt. Die insgesamt 20 Accounts dieser beiden Gruppen machen 18 Prozent der gesamten Liste aus, auf sie entfallen aber fast 60 Prozent der Friend-Beziehungen zu allen 105 Accounts lokaler Angebote. Anders ausgedrückt: Sie sind überproportional häufig in den Twitterrepertoires der Kandidierenden vertreten.

Wie vielen Twitter-Accounts anderer Kandidierender folgen Kandidierende?


Infografik Balkendiagramm
Infografik: Twitteraccounts anderer Kandidierender
Die gleiche Analyselogik lässt sich auch auf die Friend-Beziehungen zwischen den Kandidierenden selbst anwenden. Die 230 Personen, über die wir Friend-Informationen vorliegen haben, folgen demnach im Durchschnitt 15,2 der insgesamt 253 Twitter-Accounts. Dieser Wert setzt sich rechnerisch vor allem aus Accounts von Kandidierenden der SPD (im Durchschnitt 5,12), von Bündnis 90/Die Grünen (2,6) sowie der Piraten (2,5) zusammen. Zugleich zeigt sich eine stark ausgeprägte „in-group-Tendenz“, denn Kandidierende einer Partei tendieren – erwartbar – dazu, vor allem anderen Kandidierenden der eigenen Partei zu folgen. So folgen Kandidierende der SPD zum Beispiel im Durchschnitt etwa 12 Accounts von anderen Personen, die für die SPD antraten; Personen aus anderen Parteien folgen im Durchschnitt nur 2,6 Accounts aus der SPD. Für die CDU betragen die entsprechenden Werte 7,8 zu 1,1; für die Piraten 14,9 zu 0,5, etc.. Diese Friend-Beziehungen entlang politischer Nähe würden sich durch netzwerkanalytische Verfahren noch feiner untersuchen und visualisieren lassen, doch dies sprengt den Rahmen dieses Blogeintrags.

Abschließend aber noch der Hinweis: Wir können durch unsere Analyse natürlich nicht klären, ob Kandidatin @anja all die Informationen der verschiedenen Quellen aus ihrer Timeline auch tatsächlich bewusst wahrnimmt und verarbeitet – genauso wenig übrigens wie die Reichweite-Perspektive mit Sicherheit klären kann, ob tatsächlich alle Follower die Tweets von @justinbieber  wirklich lesen. Zudem kratzen auch die hier vorgestellten Befunde noch an der Oberfläche der Möglichkeiten, die der Perspektivwechsel vom Broadcastkanal zur Informationsquelle für die Analyse von Twitterdaten bietet. So wäre neben der angesprochenen netzwerkanalytischen Vertiefung unter anderem auch von Interesse, ob sich Muster in den individuellen Twitter-Repertoires finden lassen, also z.B. Personen, die wenig anderen individuellen Kandidierenden, aber vielen Accounts von redaktionell betriebenen Medienmarken folgen, vs. Personen, die vielen Individuen, aber wenigen Redaktionen folgen.






Autoren

Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Dr. Jan-Hinrik Schmidt ist wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung (Hamburg).








 

Christoph J. Beyer
Christoph J. Beyer studiert Soziologie (Master) an der Universität Hamburg und arbeitet als studentischer Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung.













1 Kommentar:

  1. Lassen wir die Politik für Politiker. Man muss das Leben genießen und dafür gibt es sizzling-hot-deluxe-spielen.com . Wir spielen dort ständig mit meinem Mann.

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