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Dies bedarf aber einer kurzen einführenden Erläuterung (erfahrene Twitter-Nutzer/innen können den folgenden Absatz überspringen):
Das wesentliche Prinzip, um den Informationsfluss und die
Kommunikation auf Twitter zu strukturieren, ist die
„Friend-Follower-Beziehung“. Sie lässt sich mit dem Abonnieren der Tweets einer
Person vergleichen; folgt Nutzerin @anja dem Account von Nutzer @bertram,
werden dessen Tweets zusammen mit den Tweets aller anderen Accounts, denen
@anja folgt, in ihrer Timeline angezeigt. In der Terminologie von Twitter ist
@anja ein „Follower“ von @bertram, und umgekehrt ist @bertram ein „following“
(so heißt es im Interface) bzw. ein „friend“ (so heisst es in der API) von
@anja. Diese Beziehung ist nicht zwingend reziprok - @anja kann @bertram
folgen, ohne dass @bertram wiederum @anja zurück folgen muss.
Viele Studien und Analysen zu Twitter konzentrieren sich auf
den „Follower“-Aspekt dieser Beziehung, z.B. in Rankings, welche Accounts weltweit die meisten Follower haben. Dahinter steckt die Vorstellung, dass
sich in der Follower-Anzahl Merkmale wie kommunikative Reichweite, Popularität
oder Einfluss ausdrücken. Implizit wird mit dieser Perspektive
Twitter-Kommunikation als Variante des „Broadcasting“ verstanden: Ein „Sender“
verbreitet seine Botschaft an mehr oder weniger viele „Empfänger“.
Mit dem Konzept der „Twitterrepertoires“ kehren wir diese
Sichtweise um: Uns interessiert der einzelne Twitter-Account nicht als Sender,
sondern als Empfänger von Informationen. Aus welchen Quellen speist sich die
Timeline von @anja? Neben @bertram folgt sie ja auch noch anderen Accounts –
wie viele sind das und aus welchen Bereichen stammen diese Accounts? Sind es
Accounts anderer Kandidierender, politischer Parteien oder Organisationen,
publizistischer Anbieter, von Privatpersonen, Unternehmen oder Celebrities?
Welchen Twitteraccounts folgen die meisten Kandidierenden?
Zu diesem Zweck haben wir am 20. Januar 2015 für die Anfang des Jahres recherchierten 253 Twitteraccounts von Kandidierenden über die Twitter-API (Schnittstelle) abgefragt, welchen anderen Accounts diese folgen. Für insgesamt 230 Accounts konnten wir diese Informationen ermitteln; die übrigen Accounts waren entweder weiterhin inhaltlich nicht klar der kandidierenden Person zuordenbar (10), waren geschützt (9) oder folgen keinem anderen Account (4).
Infografik: Welchen Twitteraccounts folgen die meisten Kandidierenden bei der Hamburgwahl? |
Wem folgen die Kandidierenden?
Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass es Accounts gibt,
denen mehrere Kandidierende folgen. Welches sind die in diese Hinsicht
„populärsten“ Twitter-Quellen für die Kandidierenden? An der Spitze steht
@buergerschaftHH, denen 101 Kandidierende auf Twitter folgen, das entspricht knapp
44 Prozent der untersuchten Personen. Auf den weiteren Plätzen folgen ganz
unterschiedliche Typen von Accounts, darunter z.B.
- Lokalmedien wie @mopo (von 42 Prozent der Kandidierenden gefolgt), @abendblatt_hh (36 Prozent) oder @HHMittendrin, ein Online-Magazin „für Hamburg-Mitte“ (30 Prozent);
- Partei-Accounts, wie etwa @spdhh (37 Prozent), @GRUENE_Hamburg (32 Prozent) oder @piratenhamburg (25 Prozent);
- Individuelle Accounts von Kandidierenden, darunter @OlafScholz (36 Prozent), @Kersten_Artus (26 Prozent) oder @KatjaSuding (25 Prozent);
- Accounts überregionaler Medien wie @zeitonline (32 Prozent) oder @tagesschau (27 Prozent) oder auch
- auf Politik spezialisierte Experten wie der Betreiber dieses Blogs @wahl_beobachter (37 Prozent) oder das Portal @Wahlrecht_de (26 Prozent)
Infografik: Twitter-Accounts lokaler Medien |
Wie vielen Twitteraccounts lokaler Medien folgen die Kandidierenden?
Im Durchschnitt folgen die Kandidierenden 4,2 Accounts aus
dieser Liste, wobei sich dieser Wert wiederum rechnerisch vor allem aus
Lokalzeitungen (durchschnittlich folgen die Kandidierenden 1,32 solchen
Accounts) und „Online-Only-Portalen“ (1,2 Accounts) zusammensetzt. Die
insgesamt 20 Accounts dieser beiden Gruppen machen 18 Prozent der gesamten
Liste aus, auf sie entfallen aber fast 60 Prozent der Friend-Beziehungen zu
allen 105 Accounts lokaler Angebote. Anders ausgedrückt: Sie sind
überproportional häufig in den Twitterrepertoires der Kandidierenden vertreten.
Wie vielen Twitter-Accounts anderer Kandidierender folgen Kandidierende?
Infografik: Twitteraccounts anderer Kandidierender |
Abschließend aber noch der Hinweis: Wir können durch unsere
Analyse natürlich nicht klären, ob Kandidatin @anja all die Informationen der
verschiedenen Quellen aus ihrer Timeline auch tatsächlich bewusst wahrnimmt und
verarbeitet – genauso wenig übrigens wie die Reichweite-Perspektive mit
Sicherheit klären kann, ob tatsächlich alle Follower die Tweets von
@justinbieber wirklich lesen. Zudem
kratzen auch die hier vorgestellten Befunde noch an der Oberfläche der
Möglichkeiten, die der Perspektivwechsel vom Broadcastkanal zur
Informationsquelle für die Analyse von Twitterdaten bietet. So wäre neben der
angesprochenen netzwerkanalytischen Vertiefung unter anderem auch von
Interesse, ob sich Muster in den individuellen Twitter-Repertoires finden
lassen, also z.B. Personen, die wenig anderen individuellen Kandidierenden,
aber vielen Accounts von redaktionell betriebenen Medienmarken folgen, vs.
Personen, die vielen Individuen, aber wenigen Redaktionen folgen.
Autoren
Dr. Jan-Hinrik Schmidt |
Christoph J. Beyer |
Christoph J. Beyer
studiert Soziologie (Master) an der Universität Hamburg und arbeitet als
studentischer Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung.
Lassen wir die Politik für Politiker. Man muss das Leben genießen und dafür gibt es sizzling-hot-deluxe-spielen.com . Wir spielen dort ständig mit meinem Mann.
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