Freitag, 27. März 2015

Best Practice zu Facebook-Anzeigen: Wie die Schweizer Grünen ihre Fans verdoppelten

Dies ist ein Gastbeitrag von Johannes Hillje. Er leitete den Europawahlkampf der Europäischen Grünen Partei im Jahr 2014 und berät die Grüne Partei der Schweiz im aktuellen Wahlkampf.

Logo Grüne Partei in der Schweiz
Wenn die Anzahl der „Likes” einer Facebook-Seite in wenigen Tagen sprunghaft ansteigt, kommt schnell der Verdacht auf, die neuen Fans seien gekauft. Anbieter gibt es dafür schließlich genug. Verkauft werden „echte” Facebook-Nutzer, die aber meist wiederum selbst einen kleinen Cent-Betrag dafür bekommen, dass sie eine Seite „liken”. Rechtlich sind solche Geschäfte umstritten, moralisch sind sie völlig inakzeptabel. Insbesondere in der politischen Kommunikation einer Demokratie, die auf dem Repräsentationsprinzip beruht, in der politische Ressourcen nach Wählerstimmen, Mitgliederzahlen oder Mitgliederabstimmungen vergeben werden, ist der Kauf von Online-Unterstützern faktisch Betrug. Gesellschaftlich kann es richtig problematisch werden, wenn Medien die „Like”-Zahlen dann auch noch als Ersatz-Demoskopie heranziehen – wie etwa in der Anfangszeit der Pegida-Bewegung.
 
Quelle: Pluragraph.de
Wachstumskurve Facebook Grüne Schweiz (Pluragraph.de)
Auf legitime Weise lassen sich Facebook-Fans durch den Multiplizierungseffekt erfolgreicher Inhalte oder noch sprunghafter durch gelungene Anzeigekampagnen gewinnen. Um Anzeigen bei Facebook zu schalten, braucht man ein Budget. Die Anzeigen können damit einer selbst definierten Zielgruppe von Facebook-Nutzern angezeigt werden. Je mehr der anvisierten Facebook-Nutzer auf „Like“ klicken, also Fan der Seite werden, desto niedriger sind die „Kosten pro Like“ - das Maß für den Erfolg der Kampagne. Meiner Erfahrung mit politischen Anzeigenkampagne für den deutschen Facebook-Markt nach zu urteilen, kann man mit gut konzipierten Anzeigen bei einem Tagesbudget ab 2 Euro pro Anzeige, eine Kostenrate von unter 20 Cent pro Like erreichen. Zuletzt habe ich die Grüne Partei in der Schweiz bei einer Facebook-Anzeigenkampagne beraten, die innerhalb von drei Wochen ein Wachstum des Facebook-Publikums von 112% generierte. An dieser möchte ich beispielhaft erläutern, wie man eine solche Kampagne aufziehen kann.

Enge Zielgruppen definieren


Grüne Partei der Schweiz
Kampagnenmotiv gegen Massentierhaltung
Parteien und Politiker kennen demographische Merkmale ihrer Wähler wie Geschlecht, Wohnort, Bildungsstand, politische Einstellungen in der Regel sehr genau. Diese Daten sind für die Konzeption der Anzeigekampagne zentral. Bei der Bestimmung der Zielgruppe für die Kampagne der Schweizer Grünen, haben wir die Merkmale der bestehenden Fan-Basis mit denen des durchschnittlichen Grünwählers verglichen. Es zeigte sich zum Beispiel, dass Frauen bei den Facebook-Fans nur knapp 30% ausmachten, obwohl sie über 50% der Grünwähler stellen. Ein weiteres Potenzial ergab sich bei der Analyse der Sprachgruppen: Während die Grünen im französischsprachigen Landesteil stärkere Wahlergebnisse als im deutschsprachigen Raum erzielen, waren frankophone Schweizer im Facebook-Publikum unterrepräsentiert. Wichtig für die Zielgruppendefinition sind auch die „Interessen“, die ein Nutzer auf Facebook über sich preisgibt - z.B. durch das „Liken“ anderer Facebook-Seiten. Als „Interessen” unserer Zielgruppe wurden zum Beispiel politisch nahstehende zivilgesellschaftliche Organisationen wie Greenpeace, WWF oder der Verkehrsclub ausgewählt, aber auch Kampagnenseiten zu den häufig stattfindenden Volksabstimmungen (z.B. Nein zu Ecopop). Außerdem sollte man auch unbedingt die „Lookalike”-Zielgruppenfunktion von Facebook nutzen. Darunter fallen Facebook-Nutzer, deren Profile sehr ähnlich zu jenen sind, die bereits die Seite „liken”.

Klare Kante bei den Botschaften


Ob man nun Fans von Greenpeace oder Transparency International in die Zielgruppe mit aufnimmt, hängt letztlich vom Thema der Anzeige ab. Die Erfahrung zeigt, dass Anzeigen zu einem konkreten Thema mit einer klaren Aussage deutlich besser funktionieren, als allgemeine Botschaften à la „Wir bringen das Land voran“. In die erste Anzeigenwelle der Grünen nahmen wir klassische grüne Themen wie Tierschutz und Anti-Atomkraft; Themen, die mit auf Facebook gut organisierten Zielgruppen korrespondieren (z.B. Rechte für Schwulen und Lesben) und aktuelle „Aufregerthemen“ wie TTIP und Migration auf. Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für eine vollständige Anzeigenkonfiguration.

Screenshot Facebook-Werbeanzeigen-Manager
Abbildung 2: Beispiel einer Anzeigenkonfiguration





Unermüdliches testen


Grüne Partei der Schweiz
Kampagnenmotiv Rechte für Schwule und Lesben
Wenn die Kampagne mit den ersten Anzeigen gelauncht wurde, beginnt ein umfangreiches „Targeting“-Experiment. Die Leistung der Anzeigen (d.h. wie viele „Likes“ eine Anzeige generiert), muss täglich beobachtet werden. Zielgruppen müssen modifiziert werden. Anzeigegrafiken ausgetauscht, Themen geändert und Botschaften müssen umformuliert werden. Dazu muss man kein Voll-Geek sein, aber mindestens Leidenschaft für die Datenanalyse mitbringen. Ziel dieser zeitaufwendigen Anfangsphase ist es, rauszufinden, wie eine Anzeige konfiguriert sein muss (Zielgruppe, Grafik, Text, Einblendung auf Computer und/oder Mobilgerät, Einblendung in Timeline und/oder rechter Spalte), damit ein Maximum von Facebook-Nutzern dazu bewegt wird, die eigene Seite zu „liken“. In der ersten Hälfte der Schweizer Kampagne (10 Tage) wurden insgesamt 30 Anzeigenkonfigurationen getestet, um dann in der zweite Phase das Budget auf die leistungsstärksten Anzeigen zu konzentrieren.

Interessant sind am Ende die Lehren, die man aus den Ergebnissen der Kampagne für die zukünftige Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit (nicht nur online, sondern auch offline) ziehen kann. Einige wichtige Erkenntnisse der Kampagne der Schweizer Grünen sind:


  • Tierschutz war mit Abstand das erfolgreichste Thema, gefolgt von Homosexuellen-Rechtenund Anti-Atomkraft
  • Unterschiede bei der Themenrelevanz ergaben sich allerdings zwischen den beiden Sprachgruppen - deutsch und französisch
  • Motive mit emotionalen Bildern (süße Tierbilder und bedrohliche Atomkraftwerke) waren erfolgreicher als weniger emotionale Bilder. Die erfolgreichsten Zielgruppen schlossen 
  • Facebook-Nutzer ein, die auf Facebook mit zivilgesellschaftlichen Organisationen aus einem ähnlichen politischen Milieu verbunden sind


Die NZZ hatte bereits letzte Woche nach Hinweis dieses Blogs über die erfolgreiche Facebook-Kampagne berichtet


Autor: 

Portraitfoto
Johannes Hillje (Foto: privat)
Johannes Hillje arbeitet als Politikberater in Berlin und Brüssel. 2014 leitete er den Europawahlkampf der Europäischen Grünen Partei. Davor arbeitete er für das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) in New York im Bereich "Global Campaigning/ Communications". Hillje studierte "Politics & Communication" an der London School of Economics (LSE) und Politikwissenschaft und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. 
Twitter: @JHillje


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