Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Isabelle Borucki von der Universität Trier. Sie ist seit April 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Uwe Jun. 2013 promovierte Sie zum Thema "Regieren mit Medien. Auswirkungen der Medialisierung auf die Regierungskommunikation der Bundesregierung von 1982-2010".
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Social-Media-Kommunikation hat nicht nur seit den Obama-Wahlkämpfen und den letzten Europawahlen
an Bedeutung für die politische Kommunikation gewonnen. Aus der politischen Wahlkampfkommunikation, ihren Instrumenten und Kanälen sind Social Media nicht mehr wegzudenken.
Sie gehören zum Instrumentenkasten der Darstellung politischer Kommunikation. Dies spielt eine Rolle, weil Personalisierung zur Politikdarstellung notwendig ist, zumal diese auf sozialen Medien gut herzustellen ist. Kein Politiker
kann es sich mehr leisten, nicht auf sozialen Netzwerken vertreten zu sein. Auch, wenn darüber noch
immer nur ein Bruchteil der Wähler (etwa 10 Prozent) tatsächlich erreicht wird , besteht das Potential,
die Zielgruppe der jüngeren Parteianhänger (und somit Multiplikatoren)
gezielt zu erreichen.
Die Relevanz sozialer Netzwerkseiten für die Entscheidungsebene wird von vielen Untersuchungen oftmals nicht erfasst, da diese vornehmlich auf die Darstellung und Nutzung und somit auf die Wirkung politischer Onlinekommunikation beim User rekurrieren. Ausgehend von einer Ergänzung der politischen Kommunikationskanäle durch soziale Medien ist zu fragen,
wie diese Konvergenz die Kommunikationsweise der Politik verändert hat. Zur Analyse politischer Kommunikation über soziale Netzwerke ist jedoch zunächst zu ermitteln, wie die Kommunikationsangebote überhaupt gestaltet sind und welchen Stellenwert sie im Gesamtkonzept der Darstellungspolitik politischer Akteure bspw. einer Regierung einnehmen.
Wie ist das Kommunikationsverhalten von Regierungen & Regierungschefs im politischen Alltag gestaltet?
Die alltagspolitische Kommunikation hat zwar inzwischen an Aufmerksamkeit durch die Forschung erhalten, Reflektionen über
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Wahlkampf und Alltag finden aber kaum statt. Deshalb fragt diese Studie: Wie ist das Kommunikationsverhalten von Regierungen, respektive den Regierungschefs, in sozialen Netzwerken im politischen Alltag gestaltet? Ist sie
dialogisch, reaktiv oder distributiv? Diese Fragestellungen basieren auf der Annahme, dass mit einem Profil in sozialen Medien immer auch eine entsprechende Orientierung an zuvor identifizierten Nutzergruppen stattgefunden hat und diese Kommunikation ergänzend zu anderen Kanälen bespielt wird (Konvergenzthese). Fraglich sind dann das Ausmaß und Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich zu Wahlkampfzeiten.
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Screenshot Regierungs-App Bundesregierung |
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die klassische Online-Regierungskommunikation (Webseiten) und das Kommunikationsangebot auf dem beliebtesten sozialen Netzwerk, Facebook, für drei europäische Regierungen untersucht. Facebook wurde deshalb gewählt, weil dieses Social networking service (SNS) das derzeit auch
in der politischen Sphäre am meisten verbreitete und genutzte ist und somit aus Kommunikatorperspektive die höchsten Chancen auf virale Verbreitungseffekte verspricht. Die Analyse fokussiert im ersten Schritt auf die
Art und Weise der Einbettung von Social-Media-Angeboten in statischen Webseiten. Hierzu wurden 2011 und 2014 die Internetseiten der Regierungschefs von Deutschland, Österreich sowie Großbritannien deskriptiv analysiert. Dies entspricht einem heterogenen Untersuchungsfeld (hinsichtlich der allgemeinen Facebook-Nutzung, Anzahl der Fans in Relation zur Bevölkerungszahl sowie Relation zu anderen politischen Facebook-Auftritten). Hierbei war der Vergleich der Einbettungsart und Komplexitätsstufe der geposteten Inhalte in Facebook zentral. In einem zweiten Schritt wurden 2014 die Fan-Seiten der Regierungschefs der ausgewählten Länder (
Angela Merkel,
David Cameron,
Werner Faymann) sowie jene der Regierungsparteien quantitativ und qualitativ mittels sozialer Netzwerkanalyse hinsichtlich ihrer Interaktivität, Intensität von Posts und deren Qualität während des Europawahlkampfs 2014 und 2013 als Vergleichszeitraum untersucht.
Die qualitative Analyse von Posts arbeitete schließlich die Ausprägung der Kommunikationsorientierung heraus – also, ob diese distributiv, reaktiv oder dialogisch ist.
Im Ergebnis zeigt sich, dass d
ie Einbettung von sozialen Medien auf den Internetseiten in den beiden untersuchten Jahren nur unwesentlich voneinander abweicht: Die deutsche Bundesregierung hat beispielweise seit 2014 eine distributive „
Regierungs-App“ (es besteht keine Dialogmöglichkeit), die Österreicher haben bereits seit November 2011 eine solche Anwendung. Auf soziale Medien wird 2011 wie 2014 lediglich verlinkt (in Österreich 2014 nicht mehr) –
auch der Kreis der SNS ist konstant. Die britische Regierung betreibt seit 2008 ein
„Open Government“-Portal, das erlaubt, Apps zu entwerfen, zu verbreiten und zu nutzen. Angesichts des generell in Social Media drohenden Kontrollverlusts
zeigt sich die britische Regierung dialogorientierter, wohingegen in den anderen untersuchten Fällen für 2013 und 2014 zwar nicht von einer „Partizipations-Illusion“ gesprochen werden kann, aber doch von einer deutlichen Zurückhaltung gegenüber der Reaktion auf Kommentare in Facebook. Auf diese Interaktionsform wird – auch in Großbritannien – nicht reagiert.
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Netzwerkkennzahlen der Regierungsschefs in den Untersuchungszeiträumen 2013 & 2014 |
Ein
Unterschied zeigt sich in der Frequenz und Intensität sowie dem Kommunikationsangebot. Dieses ist in Großbritannien am stärksten ausgeprägt, Österreich und Deutschland verbreiten ähnlich oft Mitteilungen über Facebook, wie auch die Nutzungszahlen zeigen (Posts, Kommentare, Likes, Teilen), die in Großbritannien relational gesehen höher liegen.
Alle Regierungen eint eine distributive Kommunikationsweise: Grundsätzlich wird auf Kommentare nicht reagiert, sondern lediglich Texte, Bilder und Videos verlinkt. Dies hat sich für 2015 in Deutschland
mit einer eigenen Fanpage der Bundesregierung, die auch von einem mehreren
Personen starken Social-Media-Team rund um die Uhr betreut wird, geändert.
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Anzahl der Postings Regierungschefs |
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Anzahl der Postings Regierungsparteien |
Unterschiede zwischen 2013 und 2014 in temporaler Hinsicht sind in den deutschsprachigen Facebook-Seiten festzustellen:
Im Alltag lassen die Aktivitäten nach, wohingegen zu Wahlkampfzeiten eine deutliche Intensivierung beobachtbar war. Insofern ist festzuhalten, dass die Nutzung von Social Media in der Langzeitbetrachtung durch die drei Regierungen
sowohl von der jeweiligen politischen Zeit, als auch von den Motiven zur Kommunikation über Social Media abhängen, über Facebook jedoch generell keine echte dialogische Kommunikation betrieben wird. Wie sich die neuerliche Dialogorientierung der Bundesregierung mit ihrem seit 20. Februar 2015 bestehenden Facebook-Auftritt langfristig entwickeln wird und auch als Kanal der gesamten Regierung fungiert, wird eine weitere Analyse des Jahres 2015 im Vergleich zeigen.
Autorin
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Dr. Isabelle Borucki |
Dr. Isabelle Borucki ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre: Westliche Regierungssysteme der Universität Trier. 2013 promovierte Sie zum Thema „Regieren mit Medien - Auswirkungen der Medialisierung auf Kommunikation und Legitimation der Bundesregierung von 1982-2010“.
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