Dies ist ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider und Frederik Ferié vom SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing und Dialogmarketing der Steinbeis School of Management and Innovation, Steinbeis Hochschule Berlin.
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FORSCHUNGSMETHODIK
Logo der CDU Deutschlands |
Die Studie basiert auf einer Erhebung unter 239 Mitgliedern
der CDU, 266 Mitgliedern der SPD sowie 502 repräsentativ ausgewählten Wählern.
Das GAP-Modell zur identitätsorientierten Markenführung operationalisiert in
der Studie das Markenselbstbild der Parteimitglieder und das Markenfremdbild der
potenziellen Wähler der
jeweiligen Partei. Zur Berechnung des GAP-Modells wird
sowohl das reale Markenimage einer Partei als auch das Markenimage einer
idealen Partei bei Parteimitgliedern und potenziellen Wählern abgefragt. Das
Markenimage wird dabei jeweils durch 20 verschiedene Eigenschaften wie beispielsweise
„demokratisch“, „europäisch“, „sympathisch“ und „traditionsbewusst“ mehrdimensional
erfasst, welche die Studienteilnehmer – je nach Parteiaffinität – auf einer
5er-Skala hinsichtlich der CDU oder der SPD („trifft voll und ganz zu“ bis
„trifft gar nicht zu“) und einer idealen Partei („sehr gut“ bis „sehr
schlecht“) bewerteten. Für jede der beiden Parteien (hier dargestellt am Beispiel
der CDU) ergibt sich in der Gesamtsicht aller Teilnehmer somit erstens ein
Selbstbild, das aus den Elementen Real Own Party (Wie ist die CDU in der
Realität aus Sicht der Mitglieder?) und Ideal Own Party (Wie sollte die ideale
CDU aus Sicht der Mitglieder sein?) besteht. Zweitens entsteht ein Fremdbild mit
den Bestandteilen Real Party (Wie ist die CDU in der Realität aus Sicht der
Wähler?) und Ideal Governing Party (Wie sollte die ideale Partei mit
Regierungsverantwortung aus Sicht der Wähler sein?)
Logo der SPD |
Durch die Kontrastierung des Selbstbildes mit dem Fremdbild
können vier unterschiedliche konzeptionelle Lücken (Gaps) dargestellt werden,
welche die Diskrepanzen zwischen der Perzeption des Markenimages auf Seiten der
Wähler und der Perzeption der Parteimitglieder explizieren (Abbildung 1). Das
External Identification Gap ist hierbei Ausdruck für die Lücke zwischen den
Anforderungen der Wähler an eine Idealpartei und dem tatsächlichen Bild, das
sie von dieser Partei haben. Das Internal Identification Gap beschreibt die
Lücke zwischen dem idealen und dem tatsächlichen Bild der Mitglieder von ihrer
Partei. Das Desire Gap stellt die Diskrepanz zwischen den Idealvorstellungen
der Wähler auf der einen und denen der Parteimitglieder auf der anderen Seite
dar. Das Communication Gap ist die Differenz zwischen der Wahrnehmung einer
Partei durch ihre Mitglieder und der Wahrnehmung durch die Wähler.
Die Studie analysiert diese Gaps für jede Partei und simuliert einerseits die Konsequenzen einer Markenführungsentscheidung, die den Präferenzen der Wähler folgt, und andererseits die Auswirkungen einer Strategie, welche die Idealvorstellungen der Parteimitglieder umzusetzen sucht.
Abbildung 1: Die vier Gaps der Markenwahrnehmung von Wählern und Parteimitgliedern |
KONSEQUENZEN DER MARKENFÜHRUNG VON PARTEIEN
Die Markenführungsentscheidungen von Parteien wirken sich
sowohl auf die Markenimages von Wählern als auch von Mitgliedern aus. In der
Strategieportfoliomatrix (Abbildung 2) werden die Konsequenzen der aufgezeigten
Markenführungsstrategien für beide Parteien dargestellt: bei der CDU würde
beispielsweise eine auf Wählerpräferenzen ausgerichtete Markenführung zwar das
Identifikationsgap der Wähler (External Identification Gap) von 21,59 auf 15,18
verringern, das Identifikationsgap der Mitglieder (Internal Identification Gap)
aber von 9,73 auf 12,02 erhöhen. Eine mitgliederorientierte Strategie würde im
Gegensatz dazu bei der SPD nicht nur zu einer Verringerung des Identifikationsgaps
der Wähler von 20,87 auf 16,10 führen, sondern auch zu einer Verminderung des
Identifikationsgaps der Mitglieder von 12,61 auf 11,72.
Abbildung 2: Strategieportfoliomatrix |
Das Ausrichten der Markenführung an den Idealvorstellungen
von Wählern vermag den potenziellen Wahlerfolg zu steigern, riskiert aber einen
Konflikt innerhalb der Partei, der final sogar zur Parteispaltung führen
könnte. Ein gesteigertes Konfliktpotenzial zeigt sich hier auf der aggregierten
Ebene insbesondere für die CDU. Im Falle der SPD ist die Steigerung des Konfliktpotenzials
im Mittel über alle untersuchten Mitglieder nicht sichtbar, auf der Ebene
einzelner Gruppen von Parteimitgliedern vergrößert sich das Internal Identification
Gap aber substantiell. Alternativ haben die untersuchten Parteien hingegen die Möglichkeit,
sich durch die Ausrichtung an den Idealvorstellungen der Parteimitglieder,
beispielsweise über eine funktionierende parteiinterne
Demokratie, ebenfalls den Vorstellungen der Wähler anzunähern, somit ihre
Wahlchancen zu verbessern und dabei zudem noch das parteiinterne
Konfliktpotential zu senken (SPD), respektive es zumindest konstant zu halten
(CDU). Die von der Parteiführung gewählte Markenführungsstrategie hat somit
nicht nur konkrete Auswirkungen auf die Wahlwahrscheinlichkeit bei den Wählern,
sondern auch auf die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Konflikten innerhalb einer
Partei kommt. Durch eine strategische Einbindung der Mitglieder kann dieses
interne Konfliktpotenzial verringert werden, ohne dass die
Markenführungsstrategie bei Wählern substantiell an Effektivität verliert.
Parteimitglieder der SPD |
Weiterhin zeigen die Ergebnisse bezüglich der Bedeutsamkeit
des Communication Gaps, dass Parteimitglieder in der Kommunikation einer Partei
eine wichtigere Rolle einnehmen als ihnen die Forschung im Feld Political Marketing
bisweilen zugesteht. Mitglieder haben nicht nur Sanktionsmöglichkeiten, sondern
können auch wesentlich auf den potenziellen Wahlerfolg einer Partei einwirken, indem
sie möglichen Wählern ihr persönliches Markenimage der Partei direkt vermitteln.
Hierdurch wird das External Identification Gap der potenziellen Wähler verkleinert
und somit die Wahrscheinlichkeit vergrößert, dass diese Wähler für eine Partei
stimmen.
Für Parteien bedeutet dies, dass sie mehr Vertrauen in Ihre
Mitglieder haben und ihnen eine größere Rolle in der direkten Kommunikation mit
potenziellen Wählern zugestehen sollten. Eine Partei, die ihren Mitgliedern
Möglichkeiten und Werkzeuge zur Verfügung stellt, mit denen sie beispielsweise
Freunde und Bekannte von ihrem eigenen Bild der realen Partei überzeugen
können, nutzt das große Potenzial, die Wahlwahrscheinlichkeit von möglichen
Wählern effektiv und effizient zu erhöhen. Hierzu ist es nicht notwendig, den
Mitgliedern ein geschöntes oder optimiertes Bild der eigenen Partei zu vermitteln,
sondern dialogische Kommunikation zwischen Mitgliedern und potenziellen Wählern
anzuregen und zu unterstützen.
Bibliografische
Informationen:
Schneider, H. und Ferié, F. (2015). How to
Manage a Party Brand: Empirical Perspectives on Electoral Probability and
Internal Conflict. Journal of Political
Marketing 14 (1-2): 64–95.
Link zum Artikel: http://bit.ly/pmbrand
Hinweis:
Die Autoren haben vom Verlag eine begrenzte
Anzahl von kostenlosen digitalen Autorenkopien des Artikels erhalten, die
sie gerne interessierten Lesern aus Forschung und Praxis zur Verfügung stellen.
Bitte kontaktieren Sie bei Interesse Frederik Ferié (f.ferie@steinbeis-smi.de).
Autoren:
Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider |
Google-Scholar-Autorenprofil
Frederik Ferié |
Frederik Ferié ist seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter
am SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing und Dialogmarketing an der Steinbeis School
of Management and Innovation, Steinbeis-Hochschule Berlin. Nach seinem Studium
der Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
und der Tel Aviv University war Ferié zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter
der Fraktionsvorsitzenden der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag,
verantwortlich für den Bereich Internationale Politik. Im Rahmen seines
Promotionsvorhabens befasst er sich mit den Forschungsfeldern Political
Marketing und Dialogmarketing.
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