Dies ist ein Gastbeitrag der Medienforscherin Romy Kertzsch. Er basiert auf Ihrer Abschlussarbeit an der TU Dresden, in der sie die Facebook-Aktivitäten der Staatskanzleien untersucht hat.
Die Bedeutung
sozialer Medien wächst und wächst. Davon sind auch Politik,
Verwaltung und andere öffentliche Einrichtungen nicht ausgenommen.
Als Beispiele seien hier twitternde Minister, die Facebook-Seite der Bundesregierung und ein zwitschernder Regierungssprecher angeführt.
Aber auch auf Länderebene wird rege in sozialen Netzwerken
kommuniziert. Nicht immer ist dabei auf den ersten Blick eine
Kommunikationsstrategie ersichtlich. Um vorhandene Strategien und
Ziele aufzuzeigen, wurden die Social-Media-Verantwortlichen der
Staatskanzleien befragt. An der Untersuchung nahmen elf Bundesländer
teil. Da die Interviews anonymisiert werden mussten, kann im weiteren
Verlauf des Artikels nicht auf einzelne Länder und ihre
Facebook-Seiten Bezug genommen werden.
Logo TU Dresden |
Beruflicher Hintergrund und Beziehungsgeflecht der Kommunikationsakteure
Trotz der allseits beklagten Personal-Knappheit beschäftigt die Mehrheit der Staatskanzleien mindestens einen Mitarbeiter, der ausschließlich für Online- und Social-Media-Kommunikation zuständig ist. Dieser ist meist ausgebildeter Politikwissenschaftler. Anders als in vorherigen Studien (vgl. Tenscher, 2003; Baumgartner, 2010; Heinze 2012) sind journalistische Vorerfahrung ebenso wenig vertreten wie verwaltungswirtschaftliche Karriereverläufe. Dabei besitzt der Großteil der Social-Media-Verantwortlichen einen großen Handlungsspielraum gegenüber ihrem Vorgesetzten. Politisch brisante Themen sind hier jedoch ausgenommen.
Über die Grenzen
der Staatskanzleien hinaus wird auch mit anderen Ministerien des
Bundeslandes zusammengearbeitet. Dabei geht die Initiative zur
ressortübergreifenden Kommunikation meist von den Mitarbeitern der
Staatskanzleien aus. Das Verhältnis zu externen Agenturen oder
Beratungen ist dagegen nicht sehr stark ausgeprägt. Die inhaltliche,
strategische und konzeptionelle Planung der Social-Media-Auftritte
wird von den Abteilungen allein getroffen. Lediglich in der
Anfangsphase, bei Wissen über technische Veränderungen innerhalb
der Netzwerke oder bei der 24-stündigen Überwachung und Evaluation
der Kanäle greifen einige Länder auf externe Akteure zurück.
Grafik 1: Unterstützung durch externe Akteure |
Politik oder bunte Bilder? – Themenmanagement in Sozialen Netzwerken
Aufgrund ihrer Themensetzung in sozialen Netzwerken lassen sich die Bundesländer in zwei etwa gleichgroße Gruppen teilen. Sieben Befragte geben an, dass vor allem zu politischen Themen berichtet und informiert wird. Ein Blick auf deren Facebook-Auftritte verrät jedoch, dass lediglich fünf Länder das auch umsetzen. Die anderen sechs Bundesländer teilen vor allem Bilder des Landes und Soft-News, mit dem Ziel, die Bürger stärker an ihr Bundesland zu binden und das Landesimage zu verbessern.
Laut dem von Mayntz
und Scharpf (1995) begründeten akteurzentrierten Institutionalismus
prägen die handelnden Akteure eigene Interessen und eine Identität
auf Basis ihrer Ausbildungs- und Karriereverläufe aus. Demnach
setzen Mitarbeiter mit politikwissenschaftlicher Ausbildung oder
Berufserfahrung in politischer Kommunikation überwiegend auf
politische Inhalte. Dazu merken jedoch einige Länder an, dass
politische Themen von den Nutzern weniger gut angenommen werden, was
dazu führt, dass ein Land aufgrund der enormen Kritik politische
Themen nahezu meidet.
Zitat Interviewpartner zur politischen Nutzung der Facebookseite |
Nutzungsgründe für Facebook
An oberster Stelle
der Nutzungsgründe für Facebook steht die schnelle, direkte und
ungefilterte Interaktion mit dem Bürger. Fünf der elf Länder
schätzen die Möglichkeit, ohne Gatekeeper wie beispielsweise
Journalisten mit der Bevölkerung kommunizieren zu können. Drei
Länder nutzen Facebook direkt auf politische Kommunikation bezogen,
indem sie durch gezielte Informationen die Bevölkerung mit der
Arbeit und der Politik der Regierung sowie des Ministerpräsidenten
vertraut machen möchten. Weiterhin könne Facebook auch als
Frühwarnsystem genutzt werden, um durch Rückmeldungen frühzeitig
Probleme zu identifizieren. Drei Länder sehen Facebook eher als eine
Erweiterung ihres Internetauftrittes, um Nutzer für weiterführende
Informationen auf die eigene Website zu lotsen.
Grafik 2: Nutzungsgründe für Facebook |
Ein weiterer
wichtiger Nutzungsgrund stellt die zu erreichende Zielgruppe dar.
Fünf der elf befragten Länder geben an, jüngere Menschen zu
erreichen. Davon haben drei diese Zielgruppe im Vorfeld explizit
festgelegt. Die anderen sechs Bundesländer versuchen, via Facebook
die gesamte Bevölkerung ihres Landes zu erreichen. Dies hat mehrere
Gründe. Zum einen dürfe die Verwaltung in Ihrer Kommunikation
niemanden ausgrenzen. Zum anderen gibt ein Bundesland zu, dass es
schlicht keine Strategie und demnach auch keine festgelegte
Zielgruppe für seine Social-Media-Kommunikation hat.
Das Erreichen der Ziele und Zielgruppen
wird auf unterschiedliche Weise evaluiert. Genutzt werden hierbei die
Facebook-Analyse, die Interaktion auf der Seite und spezielle
Monitoring-Tools. Die Gründe, weshalb einige Bundesländer keine
Evaluation betreiben, sind verschieden. Zum einen liegt es an der
fehlenden Strategie, zum anderen an restriktiven Datenschützer, der
nicht erlaubt, zusätzliche Daten über Facebook zu erheben und
auszuwerten.
Grafik 3: Evaluationsmethoden für Facebook |
In die Analyse flossen auch drei Länder,
die zum Zeitpunkt der Untersuchung keinen Facebook-Kanal durch die
Staatskanzlei betreuten, ein. Hier sind es vor allem
Datenschutzproblematiken und dass eine 24/7-Betreuung der Seiten
nicht sichergestellt werden kann, weshalb bisher gegen eine Nutzung
des Netzwerkes entschieden wurde.
Facebook und Bürgerdialog – das Potenzial wird kaum genutzt
Facebook und Dialog gehören zusammen wie das Kreuzchen und der Wahlschein – denkt man. In fünf Bundesländern sind es vor allem die Mitarbeiter mit politikwissenschaftlicher Ausbildung, die über soziale Medien einen Bürgerdialog anstreben und die aktive Interaktion mit dem Nutzer als Selbstverständlichkeit ansehen. Schaut man jedoch auf deren Facebook-Seiten, setzen das nur zwei Länder auch wirklich um. Die Themen des Austausches sind sehr unterschiedlich – Politik des Landes, Allgemeines oder serviceorientierte Fragen. Andere Länder suchen zwar einen Dialog mit den Bürgern, jedoch nicht in sozialen Netzwerken. Die meisten der Interviewpartner sind sich dem Mangel an Dialog bewusst und einige fordern gar einheitliche Kommunikationsstandards für die gesamte Verwaltung. Dies erscheint sinnvoll, denn die meisten Länder besitzen keine einheitlichen Kommunikationskodizes oder Leitfäden für Social-Media. Vielmehr wird sich an allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen wie Datenschutz oder anderen informationspolitischen Regelungen orientiert.
Funktionen der Social-Media-Kommunikation für Behörden und Verwaltungen
Neben der durch das Bundesverfassungsgericht geregelten Informationsfunktion von Regierungskommunikation gibt es weitere Funktionen der Social-Media-Kommunikation. Die Interviewpartner betonen stets die Wichtigkeit der Informations- und Dialogfunktion, einige sehen auch deren transparenzfördernde Wirkung. Andere möchten mit Hilfe sozialer Medien das Image ihres Bundeslandes verbessern oder die Bevölkerung mit der Regierungsarbeit vertrauter machen. Dabei fußt das persönliche Berufsverständnis der meisten Befragten auf einer positiven Berichterstattung über ihr Land und dessen Regierung. Einige möchten mit ihrer Arbeit die Kommunikationsqualität zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern verbessern.
Fazit
Die Auswertung der Interviews und der Facebook-Seiten zeigt, dass einige Länder das Potenzial sozialer Medien für die Regierungskommunikation bereits sehr gut nutzen. Andere Bundesländer bewegen sich mit ihren Facebook-Aktivitäten, die politische Informationen in den Hintergrund drängen, auf einem schmalen Grad der durch das Bundesverfassungsgericht legitimierten Aufgaben der Regierungskommunikation. Demnach stellt sich die Frage, ob diese Kanäle tatsächlich von der Staatskanzlei als politische Leitzentrale eines Bundeslandes verantwortet werden sollten, oder ob die Aufgabe der Imageverbesserung nicht eher vom Landesmarketing etc. zu erfüllen sei. Außerdem muss Behörden und Verwaltungen auch in Zukunft bewusst sein, dass Dialog essentiell für die Nutzung von Social Media ist. Werde dies nicht gewünscht, sollte stattdessen über die Nutzung statischer Webseiten nachgedacht werden.
Anmerkung: Wie die Bundesländer (in den meisten Fällen die Staatskanzleien) auf Facebook kommunizieren, hat sich dieses kleine Blog vor einigen Wochen einmal genauer angeschaut. Die Analyse.
Literatur
Baumgartner, S. (2010). Die Regierungskommunikation der Schweizer Kantone: Regeln, Organisation, Akteure und Instrumente im Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage, Wiesbaden.
Heinze,
J. (2012). Regierungskommunikation
in Deutschland: Eine Analyse von Produktion und Rezeption. Wiesbaden:
VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Mayntz, R., & Scharpf, F. W. (1995). Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln: Bd. 23. Frankfurt, New York: Campus.
Mayntz, R., & Scharpf, F. W. (1995). Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln: Bd. 23. Frankfurt, New York: Campus.
Tenscher,
J. (2003). Professionalisierung
der Politikvermittlung?: Politikvermittlungsexperten im Spannungsfeld
von Politik und Massenmedien. Wiesbaden:
Westdeutscher Verlag
Autorin
Romy Kertzsch |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen