Logo "politik & kommunikation" |
Hier das Crossposting dieser Kolumne.
„Sie sind ein Arschloch ;)“ - Das antwortete CDU-Generalsekretär Dr. PeterTauber Anfang Januar einem Dauernörgler auf seiner Facebookseite. Diese vier Worte führten zu einer tagelangen Diskussion - auch in der CDU: Parteifreunde kritisierten dieses Verhalten.
Dürfen und sollen also Politiker in sozialen Netzwerken emotional auftreten?
Facebook-Kommentar Dr. Peter Tauber |
Das zeigt:
Emotionale Aussagen und Handlungen (z.B. der Kniefall Brandts in Warschau) können langfristig mit einem Politiker verbunden und
erinnert werden. Sie helfen, Themen zu transportieren und
unterstreichen Argumente. Sie sorgen somit dafür, das komplexe und
manchmal wenig beachtete Themen in die Öffentlichkeit getragen und
wahrgenommen werden.
Auch Peter
Tauber hat mit seinem kleinen Kommentar die Debatte um die
Diskussionskultur im Netz, um Hatespeech und den Umgang mit Trollen
neu entfacht. Dafür ist ihm zu danken.
Doch was sind eigentlich Emotionen?
7 Grundemotionen |
Ich bin
eindeutig dafür, dass Politiker Emotionen sowohl analog, als auch
digital ausleben und zeigen sollen. Nichts ist schlimmer als eine
blutleere und komplett rationale Kommunikation und ein emotionslos
bespielter Account in sozialen Netzwerken. Seit Jahren hören wir in
Umfragen das gleiche Lamento der Bürger: Früher gab es mehr kantige
PolitikerInnen, richtige Typen und markante RednerInnen – heute
erscheint das politische Personal vielen Wählern als glatt
gelutscht, als abgeschliffenes Produkt von Auftrittscoachs.
Social
Media lebt von Personen, lebt von Positionen und ganz klar auch von
Emotionen. Der sachliche und rational verfasste Text wird meist
weniger wahrgenommen als ein persönliches und pointiertes Statement oder ein emotional vorgetragener Standpunkt z.B. via Livestream.
Erfolgreich sind die Politiker und politischen Institutionen, die es
schaffen, ein Thema emotional aufzubereiten. Dabei darf die Emotion
aber nicht das Thema verdrängen. Emotionen dürfen immer nur das
Transportmittel der Botschaft sein. Nie die Botschaft selber.
Das dies
nicht immer ganz einfach ist, zeigen Tausende von gelöschten
Politiker-Tweets, missratene Facebook-Postings und einige Rücktritte
z.B. von Kommunalpolitikern nach emotional-digitalen Ausrastern.
Deshalb mein Tipp an alle erregten Politiker: Vor dem Absenden des
Tweets, Snaps oder Instagramfotos kurz durchatmen, das Posting ein
paar Minuten liegen lassen und nur dann absenden, wenn es sich dann
immer noch richtig anfühlt. Kommunikation im Affekt kann schief
gehen, gerade wenn die Erregung am größten ist.
Facebook Reactions |
Ein
Beispiel: Die AfD ist eine klassische Protestwählerpartei, die
Ängste schürt und Wut in der Wählerschaft erzeugen möchte, um
sich gegenüber die Politik der Parlamentsparteien abzugrenzen und
diese als außerparlamentarische Opposition anzugreifen. Ein
klassisches Setting. Aus diesem Grund erzeugen sehr viele
Facebook-Postings der Partei und ihrer Protagonisten eine wütende,
(Menschen-)verachtende und Furcht erzeugende Grundemotion. Unter
anderem mit dieser emotionalen Kommunikationsstrategie hat die Partei
aktuell sehr viel Erfolg – vergleicht man die Social-Media-Reichweiten und Interaktionsraten mit denen der anderen
Parteien. Mit einer auf Freude basierenden Kommunikation würde die
AfD wohl scheitern, sie würde überhaupt nicht zum Charakter der von
Wutbürgern getragenen Partei passen.
Regierungsparteien
und Vertreter der Koalition können nicht so oft auf diesen
emotionalen Kanon zurückgreifen, von ihnen wird ein positiver
Kommunikationsansatz erwartet, zumal sie selber ein Interesse haben
mit positiven Themen wahrgenommen zu werden. Nichtsdestotrotz können
auch hier Traurigkeit (Attacken von Paris, Tod von David Bowie) oder
Wut (Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Vorkommnisse in
der Kölner Silvesternacht) gezielt eingesetzt werden, um eigene
Positionen zu unterstreichen und in die Breite zu tragen.
Betrachtet
man die Social-Media-Kommunikation genauer, sieht man das viele
politische Akteure Emotionen sehr strategisch einsetzen. Nur in den
wenigsten Fällen wirken Tweets und Postings wirklich wie im Affekt
gesendet. Dies finde ich aus den oben beschrieben Aspekten auch nicht
falsch. Emotionen können auch mit klarem Kopf verfasst werden. Dabei
müssen politische Kommunikatoren aber aufpassen, dass eine oft
benutzte Emotion sich nicht zum „running gag“ entwickelt und mit
der Zeit abnutzt. Oder noch schlimmer: Bei den Empfängern nur als
pures Stilmittel wahrgenommen wird.
Das Leben
besteht nicht nur aus einer Emotion und nur wütende Anklagen kann
auch der stärkste Unterstützer auf Dauer nicht aushalten. Zudem
würde vielen aktuellen Debatten aus meiner Sicht etwas emotionale
Abrüstung sehr gut tun. 70 Prozent der deutschen Facebooknutzer
sehen das ähnlich. Laut einer aktuellen Umfrage haben sie in den
vergangenen Monaten eine Zunahme von Emotionen und Aggression auf der
Plattform wahrgenommen. Dies führt wiederum dazu, das knapp die
Hälfte der Befragten in Zukunft weniger kommentieren wollen.
Trotzdem
finde ich, der im Affekt entstandene Kommentar von Peter Tauber war
richtig. Nach Monaten und Jahren der sachlichen Auseinandersetzung,
überraschte er mit einem emotionalen Ausschlag und machte so auf das
Thema herabwürdigender Beleidigungen gegenüber Politikern auf
Facebook anschaulich aufmerksam. Seine unzähligen sachlichen
Kommentare vorher hatten weder die Hater zufrieden gestellt, noch
wurden sie in der Öffentlichkeit als Diskurs wahrgenommen. Die
Kritiker hat er damit nicht umstimmen können, aber die Unterstützer
versammelten sich nach dem Kommentar hinter ihm und in der Debatte
wurde seine Stimme um so lauter gehört.
Kurzum:
Emotionen gehören zu Social Media wie der Zwischenruf im Bundestag.
Fotonachweis: the big seven by booshooo [CC BY-NC-SA 2.0], via Flickr.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen