Wahlbeobachter in den Medien

Sonntag, 26. Juni 2016

GIF kann auch politisch

Dies ist ein Gastbeitrag von Thomas Dudzak, er ist Mitarbeiter für Strategieentwicklung, -beratung und öffentliches Wirken bei den sächsischen LINKEN. In dieser Funktion betreut er u.a. auch die
Social-Media-Aktivitäten der Partei.

Die LINKE.
Logo Die LINKE. Sachsen
Wir experimentieren gerne mit neuen Vermittlungsformen für unsere Inhalte. Deswegen war es uns auch ein innerer Kreisparteitag, als Facebook die GIF-Funktion für Seiten öffnete. Große Freude. Allein: Keiner wusste, was damit anzustellen war.

Wir produzieren vor allem kurze, einprägsame, meist ziemlich textlastige Sharepics. In unserem Corporate Design nimmt Schrift einen besonderen Stellenwert ein. Es ist klares Gestaltungselement: Kurze, zugespitzte Botschaften, hoher Kontrast, dickes rotes Logo. Manchmal schafft man es aber einfach nicht, seine Botschaft so zu komprimieren. Da kam die GIF ins Spiel.



Die GIFs bieten uns nun nämlich eine charmante neue Form, unsere Inhalte aufzubereiten: Als Zwitter zwischen Sharepic und Video. Stehende Schrift und Bewegtbild in Kombination. Ein Beispiel: Die AfD meinte neulich, uns Plagiat vorwerfen zu müssen. Hintergrund der Geschichte: Die Zeitung der Landtagsfraktion "links im landtag"wurde mit einem blau-roten Logo gedruckt, was die Pawlowschen Reflexe in deren Öffentlichkeitsabteilung anschmiss. Wir würden jetzt sogar deren Farben klauen und überhaupt seien die Themen darin - Bildung, Polizei, Haushalt, direkte Demokratie usw. - seien ja sowieso alles AfD-Themen, als hätte es Politik vor ihnen nie gegeben. Denn nicht nur, dass unsere politischen Schwerpunkte schon ewig auf diesen Themen lagen, nein, die AfD zeigte auch noch eindrucksvoll, dass Recherche nicht so ihr Ding ist: Das Logo der Fraktionszeitung war schon seit 2007 blau-rot, also etwa sechs Jahre vor Gründung der Partei.

GIF, um Animation zu sehen bitte hier klicken.
Was mehr als ein mitleidiges Nein hätten wir da noch liefern sollen, um die Politik- und Rechercheunfähigkeit dieser Partei zu dokumentieren? Aber ohne zu viel Text. Ein Zufall war es, das wir ein Video von unserer Landtagsabgeordneten Luise Neuhaus-Wartenberg vom letzten Bundesparteitag gefunden haben. Eine kurze Sequenz, sie schüttelt den gesenkten Kopf, hebt ihn langsam mit einem Lächeln irgendwo zwischen Mitleid und Unverständnis. Perfekt. Daraus basteln wir was! Der Beitrag ging um 14.34 Uhr online, eigentlich keine gute Zeit. Dennoch erreichte er ziemlich schnell den Bereich einer hohen Interaktionsrate. Über 25.000 Nutzer erreichte er nur auf Facebook organisch, 1.069 Interaktionen konnte er produzieren.

Wir hatten vorher schon ein paar Mal mit GIFs experimentiert. Unser erstes war eine kurze Sequenz von einer Demonstration, bei der ein Polizist einen jungen Demonstranten schlug. Nun war das Urteil gefallen: Freispruch. Unverständlich für uns und das wollten wir zum Ausdruck bringen. Also haben wir – gleiches Muster wie der andere Beitrag – diese Sequenz mit stehendem Text komponiert. Wir dachten, wir hätten damit einen ganz guten Beitrag gebaut. Nein. Wir hatten einen verdammt guten Beitrag gebaut: Tagelang lief er durch Facebook, erreichte fast 233.000 Personen. 1483 Mal wurde er geteilt, hat mehrere tausend Reaktionen eingesammelt. Und ich verwette meinen Hintern darauf, dass kein „Nur Text“- Sharepic und kein Standbild der Welt eine ähnliche Reichweite entwickelt hätte.



Zurück zum ersten Beispiel, denn das drehten wir noch einen Ticken weiter. Wie hatten nun ein klassisches Reaction-GIF. Das Problem im politischen Kontext war aber, dass man, wenn der Ursprungsbeitrag auf einer anderen Seite liegt, man die Leute, denen man die Reaktion zeigen will – in diesem Falle die AnhängerInnen der AfD – das gar nicht mitbekommen. Sie gehören nicht zum Dunstkreis unserer Follower. Einzelne verirrten sich auf unsere Seite. Allerdings: die große Masse blieb aus. Wir hatten im Landtagswahlkampf 2014 Anzeigenschaltungen bereits sehr erfolgreich in den Zielgruppen anderer Parteien getestet. Was wäre, dachten wir uns, wenn wir diesmal die Zielgruppe der AfD ansteuern würden? Mit einem geringen Betrag im untersten zweistelligen Bereich und einer Zielgruppe – aus Sachsen, über 16, liked AfD-Seiten – haben wir das mal ausprobiert. Einen Tag lief die Schaltung und erreichte immerhin knapp 6.000 AfD-Anhänger.

Beispiel für erfolgreiches SharePic mit großer Reichweite
Wir hatten ein bisschen auf einen kleinen Shitstorm gehofft, den wir mit unserer engagierten Community dann hätten bewältigen wollen. Ziel: Leute von der anderen Seite erreichen, sie im Glauben an die Unfehlbarkeit der AfD erschüttern, einbinden, diskutieren, vielleicht überzeugen. Das hat nicht geklappt. Denn es passierte, womit wir wirklich gar nicht gerechnet hatten: positives Engagement. Die Anzeige hat uns so beispielsweise zusätzliche 80 Likes auf den verdammten Beitrag gebracht. Unfassbar… Und trotzdem irgendwie genau das, was wir erreichen wollten.


Ja, eine GIF sagt mehr als tausend Worte und ist genau deshalb in einem schmalen Aufmerksamkeitsfenster – gerade bei fremden Zielgruppen – manchmal die bessere Art, die eigene Position zu vermitteln. Wir haben aber ein paar Fallstricke:  

Zum Ersten gibt es nicht genug eigenen Content, um sowas regelmäßig zu machen. Hier muss man einfach mal auf Halde produzieren, Material sichten und schauen, was sich eventuell wie eignen könnte.  

Zum Zweiten gibt es für die Produktion von GIFs in einer breiten Social-Media-Arbeiterschaft noch keinen richtigen Workflow. Ich schneide meine Videoschnipsel derzeit mit Blender, Movie Maker oder was eben da ist, nutze Onlinetools – verschiedene je nach Zielstellung – um daraus GIFs zu machen, setze den Text in einem Grafikbearbeitungsprogramm und komponiere dann alles in Corel Photo Paint. Das ist eher Bastelarbeit, denn strukturierte Social-Media-Arbeit. 

Drittens hat GIF im Social-Media-Bereich auch Grenzen: Sei es maximale Uploadgröße oder der 8-Bit-Farbraum von GIFs, der uns auf 256 Farben begrenzt. Und zu guter Letzt: Was, wenn unsere Erfolge mit den GIFs vor allem darauf zurückzuführen sind, dass sie (noch) die Sehgewohnheiten der User durchbrochen haben? Was passiert, wenn mehr Akteure im politischen Raum anfangen, solche Formate zu verwenden und sie sich langsam abnutzen? Keine Ahnung…


Fazit


Dennoch bieten GIFs in der politischen Kommunikation – auch zwischen Akteuren – einen ziemlichen Reiz. Warum nicht mit einem eigenen GIF-Stock aufeinander reagieren, aufbauen, politische Diskussionen, die nun einmal auch emotional geprägt sind, mit solchem Material ergänzen? Der Mehrwert für die User dürfte ziemlich hoch sein. Was es braucht, sind Social-Media-Arbeiter im politischen Bereich, die bereit sind, sich darauf einzulassen. Und keine Angst davor haben, dass demnächst mal die Konkurrenz ein wenig trollen kommt.

Autor 

Thomas Dudzak
Thomas Dudzak, 31 und von Haus aus Historiker, ist seit 2013 Mitarbeiter für Strategieentwicklung, -beratung und öffentliches Wirken in der Landesgeschäftsstelle der sächsischen LINKEN. Andere würden es „Pressesprecher“ und „Social-Media-Verantwortlicher“ nennen, was ihn auch nicht weiter stört.







Anmerkung Martin Fuchs: Auch der SPD-Bundesvorstand und die SPD Baden-Württemberg setzen bereits erfolgreich auf GIFs, siehe u.a. hier, hier, hier und hier. Ebenso die CSU mit eher klassischen Text-GIFs und die CDU mit Merkel-Memes. Wer hingegen auf Lade-Rädchen steht ist bei Die PARTEI richtig.

In der Bundesregierung gibt es beim Innenministerium und bei Justizminister Heiko Maas erste zaghafte aber sehenswerte Versuche GIFs in der Regierungskommunikation einzusetzen. 

Nach Veröffentlichung des Gastbeitrages entdeckt nun auch die Junge Union Rheinland-Pfalz GIFs fürs Negativ Campaigning

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