Dies ist Gastbeitrag von Benjamin C. Sack. Er ist ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „Empirische Politikforschung“ des Instituts für Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg Universität Mainz. Bei vorliegendem Beitrag handelt es sich um die Kurzusammenfassung des Abschlussberichts des Forschungsprojektes „Politische Kommunikation in Zeiten neuer Informations- und Kommunikations- technologie". Das Projekt wurde durch die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) gefördert und finanziert.
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Was
seit Jahren in der öffentlichen Debatte unter dem Stichwort
„Politikverdrossenheit“ diskutiert wird, ist innerhalb der
empirischen Politikforschung vor allem als Phänomen abnehmender
politischer Unterstützung bekannt. Symptome sind etwa nachlassendes
Vertrauen in politische Institutionen, zunehmende Wahlmüdigkeit,
abnehmende Zufriedenheit mit dem politischen Prozess sowie eine
zunehmende Skepsis gegenüber der Demokratie als politisches
Ordnungsmodell. Die empirische Evidenz dieser Prozesse ist in Bezug
auf alle westlichen Demokratien seit längerem gegeben. Neuerdings
wird innerhalb der Forschung diskutiert, ob wir gegenwärtig eine
„Krise der Demokratie“ erleben.
Mit
der zunehmenden Relevanz des Internets als Informationsmedium wird in
diesem Zusammenhang seit geraumer Zeit die Hoffnung verbunden, dass
von Politik entfremdete Teile der Bevölkerung reaktiviert und zur
politischen Beteiligung (re-)animiert
werden könnten.
Dies gilt vor allem für die sozialen Online-Netzwerke, die die
interpersonelle Kommunikation in den vergangenen Jahren
revolutioniert haben. Gerade die nachwachsenden Generationen der
„Digital Natives“
werden dabei mit neuen Modellen politischer Beteiligung und
politischer Kommunikation in Verbindung gebracht. Als exemplarisch
gelten etwa Konzepte wie „Liquid
Democracy“, die
beispielsweise von der Piratenpartei als Alternative vorgeschlagen
und in Teilen parteiintern auch umgesetzt und gelebt werden. Der
Zuspruch zu solchen neuen Modellen lässt sich aber auch an der
Unterstützung der Piratenpartei ablesen, die auf einem Tiefpunkt
angekommen ist. Das Ändern des Profilbildes bei Facebook wiederum
gilt mittlerweile als politisches Statement und man kann sich dem
subjektiven Eindruck nicht verwehren, dass auch dort zunehmend über
Politik diskutiert wird.
Somit
steigt das Interesse am Internet im Allgemeinen in Form eines neuen
politischen Kommunikations- und Partizipationskanals stetig, und
zunehmend werden auch mit den sozialen Netzwerken – im speziellen
Facebook und Twitter - die gleichen Hoffnungen verbunden. Social
Media fördere den Austausch zwischen Regierten und Regierenden,
trüge aber auch zur politischen Diskussion innerhalb der Bevölkerung
bei und erleichtere den Informationszugang, so Annahmen und
Argumente. Ob das so ist, ob also die politische Kommunikation
tatsächlich von den sozialen Online-Netzwerken tangiert wird und
wenn ja wie, war die grundlegende Frage eines Forschungsprojekts, das
wir im Laufe der vergangenen Jahre an der Universität Mainz
durchgeführt haben. Uns hat dabei zum Beispiel interessiert welchen
Stellenwert Facebook und Twitter im Vergleich zu traditionellen
Medien wie dem Fernsehen, Zeitungen, dem Radio und anderen in Bezug
auf die Informationsaufnahme haben oder auch wie sehr sozialen
Online-Netzwerken und den darin gewonnen Informationen vertraut wird.
Wir wollten erfahren, wie Bürgerinnen und Bürger Social Media
nutzen um sich über Politik auszutauschen und in welchem Ausmaß und
mit welchen „Freunden“ dies geschieht.
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Abbildung 2: Nutzung verschiedener Medien für Informationen über Politik |
Hierzu
haben wir in den Jahren 2013-2015 einen Teil der bundesdeutschen
Bevölkerung fortlaufend befragt. Insbesondere zu Verhalten und
Einstellungen in und gegenüber Social Media in Bezug auf die
politische Kommunikation. Dabei sind interessante Erkenntnisse
zu Tage getreten. Die weit verbreitete Hoffnung, Social Media könnten
einen nachhaltigen Einfluss auf die Revitalisierung politisch
desinteressierter Bevölkerungsteile haben, konnte bisher nicht
erfüllt werden.
Festhalten
lässt sich auf Basis der Daten vor allem die niedrige Stellung, die
Facebook und Twitter im Vergleich zu etablierten Medien insbesondere
in der Nutzung, im direkten Austausch über Politik und der
Vertrauenswürdigkeit ausmachen. Dabei lassen sich zwar leichte
Altersunterschiede ausmachen - so nutzt die Gruppe der 18-39 Jährigen
Social Media häufiger, als die Gruppe der 40-60 und der über 60
Jährigen, und vertraut diesen Kanälen auch mehr – die
Unterschiede sind jedoch marginal und Nutzung wie
Vertrauenswürdigkeit bewegen sich durchgehend auf niedrigem Niveau.
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Abbildung 3: Austausch mit anderen Personen über Politik und das politische Geschehen |
Ein
ähnliches Bild zeigt die Betrachtung der aktiven Suche und Aufnahme
neuer Informationen über Politik bei Facebook. Die Daten zeigen,
dass dies für den Großteil der Befragten nur in geringem Maß
zutrifft und sich in der Zeit von 2013 bis 2015 daran wenig bis
nichts verändert hat. Die allerwenigsten der Befragten nehmen bei
Facebook neue Informationen über Politik auf, also Dinge, die sie
vorher noch nicht wussten. Und insgesamt nehmen im gesamten
Zeitverlauf der Befragung mehr als zwei Drittel der Facebook-Nutzer
keinerlei neues Wissen über Politik bei Facebook auf. Ganz ähnlich
zeigt sich die Verteilung bei der Frage, ob neue Informationen zu
einem Thema aktiv gesucht werden, welches in einem Facebook-Beitrag
angesprochen wurde. Äquivalent sieht die Verteilung bei der aktiven
politischen Kommunikation aus. Beiträge zum Thema Politik werden
selten geliked, seltener geteilt und noch wesentlich seltener selbst
verfasst. Von 2013 bis 2015 wurden solche Aktivitäten von 65% bis zu 86% der Befragten selten oder
sogar nie ausgeführt.
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Abbildung 4: Vertrauenswürdigkeit verschiedener Quellen in Bezug auf Informationen zur Politik |
Interessant
und bedenklich zu gleich ist jedoch, dass es Tendenzen zu Echokammern
und Filterblasen gibt. Andere Facebook-Nutzer können ausgeblendet,
aus der Freundesliste entfernt oder blockiert werden. Insbesondere
wenn dies aus politischen Erwägungen heraus geschieht, könnten hier
die Ursachen einer sogenannten „Filterbubble“ liegen. Dies
geschieht inzwischen häufiger – vor allem weil aus Sicht der
Facebook-Nutzer zu viele politische Beiträge gepostet wurden: Hier
erhöhte sich der Anteil derjenigen, die aus diesem Grund bereits
Personen aus der Freundesliste entfernt oder blockiert haben um fünf
Prozentpunkte von durchschnittlich 9% im Jahr 2013 auf insgesamt 14%
im Jahr 2015. Das zweite Motiv ist, dass ein politischer Beitrag
veröffentlicht wurde, der nicht der eigenen Meinung entsprach oder
beleidigend war: Hier stieg der Anteil der Facebook-Nutzer, die aus
diesem Grund Personen aus der Freundesliste entfernen oder blockieren
sogar um sieben Prozentpunkte von durchschnittlich 10% im Jahr 2013
auf insgesamt 17% im Jahr 2015. In diesem Anstieg ist durchaus ein
Muster erkennbar, das in der Konsequenz zu Informationsblasen führen
kann. Für die anderen beiden Motive nach denen wir gefragt haben
zeigen sich keine Veränderungen im Zeitverlauf.
FAZIT
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Abbildung 5: Persönliche Facebook-Nutzung |
Insgesamt
lässt sich somit auf Basis der Daten festhalten, dass der
Stellenwert von sozialen Online-Netzwerken wie Facebook und Twitter
für den Gewinn politischer Informationen ausgesprochen gering ist.
Die Netzwerke rangieren hinter allen anderen traditionellen Medien.
Auch im Vergleich interpersoneller Kommunikation liegen etablierte
Kreise wie die Familie, Freunde und Kollegen im Stellenwert weit über
den sozialen Medien. Zudem wird Social Media in Bezug auf die
Bereitstellung von politischen Informationen sehr viel weniger
Glaubwürdigkeit beigemessen. Interessant und von
demokratietheoretischer Relevanz scheinen jedoch die Befunde zu sein,
die sich zur sogenannten „Filterbubble“ ergeben haben sowie zu
der Frage, ob sich Nutzer sozialer Online-Netzwerke vielleicht selbst
in eine solche Blase manövrieren. Tendenzen sind hier durchaus
erkennbar.
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Abbildung 6: Persönliche Facebook-Nutzung |
Die
in Social Media gesetzte Hoffnung durch eine veränderte Art der
politischen Kommunikation die Anteile der Bevölkerung, die sich
zunehmend mit Politik oder deren Akteuren unzufrieden zeigen und sich
in der Folge vom politischen Prozess abwenden zu reaktivieren und
wieder einzugliedern scheint sich auf Basis der Daten also nicht zu
erfüllen. Informationen werden in erster Linie weiterhin über
traditionelle Medien bezogen, diesen wird zudem mehr vertraut und in
sozialen Online-Netzwerken wird wenig über Politik gesprochen. Da
soziale Medien aber ein sehr junges Phänomen sind und sich im
digitalen Zeitalter die Welt in immer kürzeren Abständen komplett
zu wandeln scheint steht die Erforschung der politischen
Kommunikation innerhalb von Social Media erst am Anfang und
fortwährend vor neuen Herausforderungen und Fragestellungen.
Kontakt: sack@politik.uni-mainz.de
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