WhatsApp-Kanal von Alexander van der Bellen |
Van der Bellen gewann bei den Jungwählern hinzu
So verlockend es sein mag, direkte Zusammenhänge zwischen einer einzelnen Wahlkampfaktivität und dem individuellen Wählerverhalten sind empirisch selten haltbar. Das Wählerverhalten ist zu komplex, von vielschichtigen, manchmal gar irrationalen Motiven getrieben, in keinem Fall aber auf eine einzige Formel zu reduzieren. Dennoch gibt es einige Indizien dafür, dass die Nutzung von WhatsApp ein cleverer und nützlicher Schachzug Van der Bellens war. Allem voran: Bei jungen Männern bis 29 Jahren legte Van der Bellen in der Wiederholungswahl vom 4. Dezember stolze 5% zu. Auch bei Frauen derselben Alterklasse gewann der Grüne nochmals 2 Prozentpunkte von 67% auf 69% hinzu. Es ist diese junge Altersgruppe, die zu den heavy users von WhatsApp gehören. In Österreich nutzen 92% der 15-29jährigen mobilen Internetnutzer Messenger mindestens mehrmals pro Woche. Auch in Deutschland ist WhatsApp führend unter den Kurznachrichtendiensten: 63% der Internetnutzer verwenden die App, bei vielen jungen Deutschen hat der Messenger mittlerweile der klassischen SMS den Rang abgelaufen.
Gegen einen signifikanten Beitrag der WhatsApp-Kampagne zum Wahlsieg Van der Bellens spricht, dass zum Vergleich zu den hohen Fan- und Followerzahlen auf Facebook und Twitter, nur mehrere Tausend Wähler die WhatsApp-Nachrichten abonnierten. Andererseits wurde das Ausmaß des Schneeballeffekts, der sich auf Facebook vor allem durch die Anzahl der “Shares” und auf Twitter durch “Retweets” manifestiert, nicht gemessen. Zum Weiterleiten der Nachrichten, insbesondere der Bilder, Videos und Audio-Botschaften, rief Van der Bellen seine WhatsApp-Community immer wieder auf.
Die Stimme des Kandidaten auf dem Handy
Begrüßungsbotschaft Van der Bellen |
Das kann man als besondere Verbundenheit der Unterstützer zum Kandidaten verstehen, denn eine Sprachnachricht zu formulieren und aufzunehmen fordert einem Nutzern deutlich mehr als einen Tweet oder Facebook-Kommentar abzugeben. Neben den Audio-Nachrichten verschickte Van der Bellen über WhatsApp außer ein paar “Behind-the-Scenes”-Eindrücken, vor allem Videos, Bilder und Veranstaltungshinweise, die auch über die anderen Digitalkanäle der Kampagne verbreitet wurden.
Nun ist Van der Bellen kein Pionier der politischen Kommunikation über WhatsApp, aber der neue österreichische Bundespräsident hat zwei wichtige Prinzipien digitaler Wahlkampfführung lehrbuchmäßig umgesetzt:
Erstens, er hat jenen Kanal gewählt, der in den Kommunikationsgewohnheiten seiner Kernwählergruppe eine sehr wichtige Rolle spielt.
Zweitens hat er mit den Sprachbotschaften auf diesem Kanal auf eine Art und Weise kommuniziert, die sowohl zu seinem Image und persönlichen Digitalisierungslevel als auch zum Nutzerverhalten seiner Zielgruppe passen.
Chancen und Risiken für den Bundestagswahlkampf
Mobilisierungsaufruf via WhatsApp |
1. WhatsApp-Nachrichten werden gelesen. Während Email-Newsletter in vielen Fällen nur von durchschnittlich 25% der Empfänger geöffnet werden, erreichen viele WhatsApp-Versendungen Öffnungsraten von über 90%. Offenbar haben WhatsApp-Nachrichten noch eine andere Wertigkeit als Emails. Nachrichten werden nicht ungelesen gelassen. Das Phänomen von Spam gibt es dort noch nicht. Das kann sich aber natürlich schnell ändern.
2. WhatsApp ist näher dran am Nutzer. Auf Facebook sind wir Fans von dutzenden Seiten, auf Twitter und Instagram folgen wir hunderten Nutzern - auf diesen “Newsfeed”-basierten Plattformen konkurrieren permanent sehr viele Botschaften miteinander. Wer sich nicht der Logik der Algorithmen unterwirft, hat kaum noch eine Chance durchzukommen. WhatsApp-Nachrichten funktionieren hingegen wie eine SMS, sie werden viele Menschen direkt als Push-Nachricht auf dem Bildschirm angezeigt und konkurrieren meist nur mit den Nachrichten von Freunden oder Kollegen. Keine schlechte Sache, wenn man sich als Wahlkämpfer zwischen die Nachrichten von Freundin X und Bruder Y einsortieren kann.
3. WhatsApp ist ein Vehikel zum Engagement. Wer seine Mobilnummer einer Partei oder einem Kandidaten gibt und einwilligt über WhatsApp angeschrieben zu werden, ist allein durch das Überwinden dieser Hürden eine wertvolle Ressource. Es ist deutlich wahrscheinlicher, dass ein WhatsApp-Kontakt zu freiwilligem Engagement im Wahlkampf bereit ist als ein Facebook-Fan. Wenn man seine WhatsApp-Kontakte regional sortieren kann (z.B. durch PLZ-Abfrage bei der Registrierung), gibt es vom Aufruf zum Mitmachen beim lokalen Haustürwahlkampf bis zur Einladung zur Wahlkampfveranstaltung im eigenen Stadtteil vielfältige Möglichkeiten.
Audio & Textbotschaft via WhatsApp |
Autor:
Johannes Hillje (Foto: privat) |
Webseite: www.johanneshillje.de
das ist ja ein Risiko.
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