Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Kay Hinz. Er promovierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zum Thema "Kandidaten und ihre Unterstützer im Online-Wahlkampf" und ist als Berater bei der politischen Kommunikationsberatung neues handeln in Berlin tätig.
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Soziale Online-Netzwerke gewinnen in Wahlkämpfen bereits seit Jahren stetig an Bedeutung. Wie Politiker Plattformen wie Facebook und Twitter nutzen, wird von den Medien, politischen Mitbewerbern und Bürgern wahrgenommen. Die Kommunikation wirkt also über das Web 2.0 hinaus. Dass Online-Kommunikation auch mit dem Wahlerfolg von Kandidaten zusammenhängen kann, liegt daher nahe. Dies gilt vor allem für Direktkandidaten in den Wahlkreisen. Anders als Kandidaten der Landeslisten sind sie eher Einzelkämpfer und müssen für ihren Einzug in den Bundestag vor Ort kämpfen. Für Direktkandidaten ist es wichtig, potentielle Unterstützer umfangreich zu informieren , sie zu mobiliseren und im Wahlkreis vernetzt zu sein.
Da Soziale
Online-Netzwerke mittlerweile zum Wahlkampf von Direktkandidaten
dazugehören, ist zu klären, ob deren Nutzung auch außerhalb des
Internets Effekte hat: Bestehen begründete Zusammenhänge
zwischen Online-Kommunikation und dem Wahlerfolg bei der
Bundestagswahl 2013?
Die Frage wird mit Daten aus der Studie
„Kandidaten und ihre Unterstützer im Online-Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2013 im Web 2.0“ beantwortet, die 2017 im Verlag VS Springer
erschienen ist. Mit Befunden zu über 600 Kandidaten wurde
untersucht, wie Kandidaten und Bürger im Online-Wahlkampf auf
Facebook und Twitter miteinander kommunizieren und
wovon dies beeinflusst wird.
Theoretischer Zusammenhang von politischer Online-Kommunikation und Wahlerfolg
Wahlerfolg hängt nicht nur vom
Kandidaten oder von seiner Online-Aktivität ab. Nicht zuletzt
ist dafür relevant, welcher Partei ein Kandidat angehört. Dennoch
können Kommunikation und Interaktion das Image eines Kandidaten
prägen und in Zustimmung zu ihm und in seiner Wahl münden.
Promotion Dr. Kay Hinz |
Die Kommunikationswissenschaft
unterscheidet vier Funktionen, die Kandidaten im
Online-Wahlkampf erfüllen können: Information, Vernetzung,
Mobilisierung und Nutzerpartizipation. Diese vier Funktionen
unterliegen dem Ziel des Wahlkampfes, Wähler zu rekrutieren. Dass
die Erfüllung der Funktionen über das Netz hinaus wirkt, ist nicht
unrealistisch: Online vermittelte Informationen können
offline aufgenommen oder über traditionelle Massenmedien
weiterverbreitet werden; Vernetzung im Web 2.0 bedeutet
Bekanntheit und kann eine Wahlabsicht begünstigen; Mobilisierung
und die Nutzerpartizipation in Sozialen Online-Netzwerken
können auch am Wahltag eine Wirkung entfalten, weil sie inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem Kandidaten zeigen.
Datengrundlage und Messung der Funktionen
Um sicherzustellen, dass Kandidaten zur Bundestagswahl 2013
ihre Facebook- und Twitter-Profile primär für die
öffentliche Kommunikation in ihrer Rolle als Politiker genutzt haben,
wurden nur öffentlich zugängliche Fan-Seiten (Facebook) oder
Profile (Twitter) der Kandidaten mit realistischer Chance auf
Einzug in den Bundestag betrachtet. Untersucht wurden 436
Direktkandikandidaten aus allen 299
Wahlkreisen. Der Einzug in den Bundestag wurde als Wahlerfolg
bewertet.
Information
Ein Kandidat kann Bürger nur dann
informieren, wenn er über ein Profil in einem Sozialen
Online-Netzwerk verfügt. Zudem ist die Anzahl der Beiträge
relevant, die ein Kandidat während des Wahlkampfes im Netzwerk
veröffentlicht hat.
Vernetzung
Die Vernetzung wurde anhand der
Unterstützerzahl gemessen, die ein Kandidat einen Monat vor
der Bundestagswahl 2013 im Netzwerk hatte.
Mobilisierung
Wie stark es Kandidaten gelingt,
Unterstützer zu mobilisieren, wurde bei Facebook und Twitter
auf jeweils zwei Arten überprüft: Durch die Entwicklung der
Unterstützerzahl während des Wahlkampfes sowie durch die
relative Anzahl der multiplizierten Kandidatenbeiträge.
Partizipation
Für die Nutzerpartizipation wurde
erhoben, wie viele inhaltliche Beiträge Bürger auf dem Facebook- und Twitter-Profil eines Kandidaten
hinterlassen haben. Dies wurde relativ zur Unterstützerzahl erfasst.
Ergebnisse: Online-Kommunikation und Wahlerfolg von Kandidaten
Um zu
zeigen, wie es insgesamt um die Kommunikation von Direktkandidaten
bestellt war, finden sich hier zunächst einige Eckdaten zum
Online-Wahlkampf 2013 auf Facebook und Twitter:
Infografik 1: Nutzung von Twitter und Facebook im Bundestagswahlkampf 2013 - untersuchte Kandidaten |
Eine große Mehrheit der
Direktkandidaten hat Soziale Online-Netzwerke für die eigene
Vermarktung genutzt. 77 Prozent von ihnen waren auf Facebook und/oder
Twitter präsent. In den letzten 30 Tagen vor der
Bundestagswahl veröffentlichen sie durchschnittlich 66 (Facebook)
bzw. 58 (Twitter) Beiträge und somit etwa zwei Beiträge
täglich.
Im Median verfügen Direktkandidaten
einen Monat vor der Bundestagswahl über 375 (Facebook) bzw.
482 (Twitter) Unterstützer, an die sie ihre Beiträge
richten konnten. Sie konnten ihren Unterstützerkreis während des
Wahlkampfes durchschnittlich um 28 Prozent (Facebook) bzw. 18
Prozent (Twitter) erweitern.
Nur ein geringer Anteil der Nutzer
ließ sich zur Multiplikation von Beiträgen mobilisieren.
Durchschnittlich 7 Prozent (Facebook) bzw. 9 Prozent (Twitter)
der Unterstützer teilten in den letzten 30 Tagen vor der
Bundestagswahl einen Kandidatenbeitrag. Bei der Nutzerpartizipation
zeigte sich ein ähnliches Bild. Zwar wurde auf Facebook (15%)
mehr kommentiert als auf Twitter (4%), doch wird
deutlich, dass der größte Teil der Unterstützer sich nicht aktiv
im Web 2.0 beteiligt, sondern passiv Inhalte konsumiert.
Ob die Erfüllung von Funktionen des
Online-Wahlkampfes einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hat, mit
der ein Direktkandidat in den Bundestag einzieht, wurde mit
logistischen Regressionen geprüft. Dabei zeigen sich positive
Zusammenhänge zwischen der Facebook-Präsenz und der Chance
auf das Direktmandat. Präsenz auf Twitter hingegen erhöhte
nicht die statistische Chance, in den Bundestag einzuziehen. Da die
reine Präsenz im Web 2.0 nicht zeigt, wie die
Online-Kommunikation zwischen Kandidaten und Bürgern ausgestaltet
ist, waren weitere Analysen notwendig. Deutlich wurde aber bereits
hier, dass die Präsenz von Direktkandidaten bei Facebook
einen Vorteil für Kandidaten bedeuten kann. Derjenige, der auf Facebook präsent war, hatte eine um 7 Prozent höhere Chance,
in den Bundestag einzuziehen, als derjenige, der es nicht ist war.
Ein differenziertes Bild bietet
die Analyse, wie die Erfüllung von Funktionen des Online-Wahlkampfes
mit dem Einzug in den Bundestag zusammenhing.
Die Abbildung
zeigt, wie stark die Erfüllung die Chance auf Wahlerfolg beeinflusst
hat. 10 veröffentlichte Beiträge auf Facebook mehr erhöhten
die Chance auf Wahlerfolg um 5,7 Prozent. Wer also 30 Beiträge auf
Facebook veröffentlicht hat, hatte eine um 5,7 Prozent höhere
statistische Chance auf Wahlerfolg als jemand, der 20 Beiträge
veröffentlicht hat. 100 Unterstützer auf Twitter mehr
erhöhten die Chance auf Wahlerfolg um 30,2 Prozent. Bei den übrigen
Faktoren veränderte ein Prozent mehr bzw. weniger die Chance auf
Wahlerfolg um die Prozentangaben im Balkendiagramm. Die Werte zur
Multiplikation und Partizipation waren gering und variierten kaum
zwischen den Kandidaten.
Infografik 2: Übersicht über Einfluss der Erfüllung von Funktionen des Online-Wahlkampfes auf den Wahlerfolg |
Häufige Online-Aktivität von
Direktkandidaten während des Wahlkampfes erhöhte die Chance, dass
diese in den Bundestag einzogen. Verbreitung von Informationen in
Sozialen Online-Netzwerken konnte auf die Wahlentscheidung von Nutzern
einwirken.
Wie stark Kandidaten in Sozialen
Online-Netzwerken mit Unterstützern vernetzt waren,
beeinflusste die Chance auf einen Wahlerfolg ebenfalls positiv. Eine
breite Vernetzung in der potentiellen Wählerschaft half Politikern
dabei, auch über das Web 2.0 hinaus sichtbar zu sein.
Wer im Wahlkampf neue Unterstützer auf Facebook mobilisiert hat, erhöhte seine Chance auf Einzug
in den Bundestag. Bei Twitter zeigte sich dies nicht. Facebook
ist in der Gesamtbevölkerung in Deutschland weiter verbreitet
als Twitter. Außerdem ist es schon semantisch ein
Unterschied, ob sich ein Netzwerknutzer mit einer Seite bei Facebook
(„Gefällt mir!“) oder einem Profil bei Twitter („Folgen“)
vernetzt. Insofern ist das Folgen nicht automatisch eine
Sympathiebekundung. Festzuhalten bleibt, dass es für Kandidaten
sinnvoll ist, während des Wahlkampfes um neue Unterstützer zu
werben, um sie kontinuierlich mit Informationen erreichen zu können.
Eine hohe Zahl multiplizierter
Beiträge hing nicht direkt mit dem Wahlerfolg zusammen. Es war für
Direktkandidaten eher bedeutsam, neue Unterstützer zu generieren als
vorhandene Unterstützer zum Teilen von Beiträgen anzuregen.
Wichtiger war, dass Unterstützer Informationen wahrgenommen haben, als dass
sie diese weiterverbreit haben. Facebook- und Twitter-Nutzer
teilen nicht nur Beiträge, die ihrer Meinung entsprechen, sondern
vor allem solche Beiträge, die polarisieren oder (unfreiwillig)
komisch sind. Insofern sind Shares und Retweets nicht
unbedingt Anzeichen für einen erfolgreichen Wahlkampf. Dennoch helfen sie Kandidaten dabei,
Teil der öffentlichen Debatte zu bleiben und können somit indirekt
auf deren Bekanntheit und öffentliche Wahrnehmung einwirken.
Die Partizipation von Nutzern auf den
Kandidatenprofilen war nicht positiv mit dem Wahlerfolg eines
Kandidaten verknüpft. Inhaltliche Auseinandersetzung der Nutzer mit
Beiträgen von Kandidaten fand auf den Profilen allerdings
ohnehin kaum statt.
Fazit
Es besteht ein Zusammenhang zwischen
der Erfüllung von Funktionen des Online-Wahlkampfes und dem
Wahlerfolg von Direktkandidaten bei der Bundestagswahl 2013. Außer
zur Präsenz auf den Plattformen und zur Mobilisierung neuer
Unterstützer wiesen die Befunde für Facebook und Twitter
jeweils in dieselbe Richtung. Soziale Online-Netzwerke sind
wichtige Instrumente für Kandidaten, um kommunikativen Kontakt zu
Bürgern einzugehen. Ihre Nutzung darf zwar bislang nicht als
potentiell wahlentscheidend verstanden werden, ein tendenzieller
Einfluss ist jedoch erkennbar.
Besonders die Aktivität im Web 2.0 und
ein hoher und weiter wachsender Unterstützerkreis erhöhen die
Bereitschaft, für einen Kandidaten zu stimmen. Dabei ist
Kommunikation in Sozialen Online-Netzwerken nicht für sich
alleinstehend zu betrachten. Nachrichtenmeldungen im Fernsehen
und in der Zeitung werden häufig mit aktuellen
Diskussionsentwicklungen bei Facebook oder Twitter
gespickt, ebenso wie die Meldungen traditioneller Massenmedien in
Sozialen Online-Netzwerken verbreitet und diskutiert werden.
Die wachsende Gruppe der Digital
Natives, die sich vor allem online auf dem Laufenden hält, wird
über traditionelle Medien immer seltener erreicht. Kandidaten, die
ihre Chance auf einen Wahlerfolg erhöhen möchten, sollten daher
präsent im Web 2.0 sein, dort regelmäßige Aktivität
zeigen und einen möglichst großen Unterstützerkreis aufbauen,
den sie auf direktem Wege erreichen können. Dies mag trivial
klingen, ist es aber nicht, wenn man beachtet, dass etliche
Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 inaktive Profile hatten oder etwa ein Viertel generell das
Web 2.0 mied.
Autor
Dr. Kay Hinz |
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