Dies ist ein Gastbeitrag des Journalisten und Sprechers Christopher Gaube. Der Gastbeitrag basiert auf seiner Masterarbeit über
die politische Aktivierung in sozialen Netzwerken am Beispiel der PEGIDA-Bewegung.
Fake-News im Netz oder
Trolle, die im Social Web Stimmung machen – die Möglichkeiten des
Internets zur Meinungsbildung (oder Meinungsmanipulation) sind
vielfältig. Immerhin wird solchen Methoden zugetraut, erheblichen
Einfluss auf die politische Stimmung zu besitzen. Wie hoch der
Einfluss sozialer Medien tatsächlich ist und ob politische
Aktivierung bei Facebook gelingen kann, lässt sich am Beispiel der
PEGIDA-Bewegung nachvollziehen. Die Aktivitäten der einst
erfolgreichen Bürgerbewegung wurden umfangreich dokumentiert und
Organisatoren, Anhänger sowie Gegner haben bei Facebook eine Fülle
an Beiträgen, Likes und Kommentaren hinterlassen. Diese geben einen
einzigartigen Einblick in die Kommunikation der Gruppe und Aufschluss
über die politischen Möglichkeiten sozialer Netzwerke.
Ein kurzer Rückblick:
als sich PEGIDA im Oktober 2014 konstituierte, brachte es die
Bürgerbewegung innerhalb kürzester Zeit zu vielen Anhängern und
großer Aufmerksamkeit. Bereits am 12.01.2015 gingen für die
Bewegung 25.000 Demonstranten auf die Dresdner Straßen. Gleichzeitig
explodierten auch die Aktivitäten auf der Facebook-Seite der
PEGIDA-Bewegung. Insgesamt 130 Beiträge wurden im Januar 2015 auf
der offiziellen Facebook-Seite veröffentlicht. Diese bekamen 441.000
Likes (damals waren nur Likes möglich) und 172.000
Kommentare. Wegen interner Streitigkeiten der PEGIDA-Gründer gingen
Teilnehmerzahlen und Facebook-Aktivitäten zunächst deutlich zurück.
Die Flüchtlingsbewegung gab PEGIDA im Herbst 2015 allerdings neuen
Auftrieb.
Die Facebook-Daten aus
dieser Zeit lassen sich zu verschiedenen Kenngrößen aggregieren,
wie etwa der Summe aller Nutzerinteraktionen innerhalb einer Woche.
Neben diesen Werten gibt es eine entscheidende zweite Datenreihe: die
Teilnehmerzahlen der Demonstrationen. Beim Vergleich dieser
Datenreihen lässt sich herausfinden, ob ein statistischer
Zusammenhang zwischen Facebook-Aktivitäten und Teilnehmerzahlen
besteht. Soweit in aller Kürze die grundlegende Methodik der
Untersuchung, viel interessanter sind jedoch die Ergebnisse.
Ich demonstriere, also kommentiere ich
Tatsächlich kann man
davon ausgehen, dass sich die Facebook-Aktivitäten und die
Teilnehmerzahlen gegenseitig beeinflussen. Gab es in einer Woche
besonders viele Kommentare und Likes, war auch die Teilnehmerzahl der
folgenden Demonstration hoch. War (relative) Flaute bei Facebook, war
auch Flaute bei der PEGIDA-Demo. Der Korrelationskoeffizient beim
Vergleich der gesamten Wochenaktivität bei Facebook und der
Teilnehmerzahl liegt bei 0,70 – für Sozialwissenschaften ein
starker Zusammenhang. Deutlicher wird das Phänomen, wenn man nur die
Kommentare einer Woche mit den Teilnehmerzahlen der kommenden
Demonstration vergleicht. Hier steigt der Korrelationskoeffizient auf
0,83.
Abbildung
1: Vergleich der Kommentare/Woche und der Teilnehmerzahl der
PEGIDA-Demonstrationen,
Skalierung angepasst
Skalierung angepasst
Die Daten geben auch Aufschluss über die Aktivitätsrate der Fans. Mit anderen Worten: wie viele Nutzer wurden überhaupt aktiv? Die Kommentierungen sind in diesem Zusammenhang besonders interessant, da sie im Vergleich zu den anderen Aktionsmöglichkeiten den größten Zeitaufwand vom Nutzer verlangen. Bei dieser Häufigkeitsverteilung zeigt sich, dass die meisten Nutzer auf der PEGIDA-Seite lediglich einen Kommentar verfasst haben, was soweit keine Überraschung ist. Allerdings gibt es eine große Zahl an Nutzern, die 50 Kommentare und auch weit mehr im Monat schrieben. Der Nutzer mit den meisten Kommentaren im Januar 2015 brachte es auf 1.565 Beiträge. Stichproben zeigen, dass die Kommentare nicht von einem Bot generiert wurden, da sie sich inhaltlich auf die Beiträge beziehen. Glaubt man dem Internetforscher Clay Shirky, verzerren solche Ausreißer nicht die statistische Wirklichkeit, sie tragen vielmehr dazu bei, soziale Systeme anzutreiben. So würden von der Wikipedia eine Vielzahl von Menschen profitieren, nur wenige der Nutzer tragen aber zum Aufbau und zur Aktualisierung bei.
Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Kommentare je aktivem Nutzer für PEGIDA (Januar und September 2015)
sowie anderer politischer Facebook-Seiten (logarithmisch skaliert)
Im Vergleich mit den Facebook-Seiten
von CDU, SPD und der Gegeninitiative NoPegida fallen in Bezug auf die
Seite von PEGIDA verschiedene Besonderheiten auf. Zum einen scheint
eine wesentlich breitere Menge der PEGIDA-Fans bereit zu sein,
Beiträge zu kommentieren. Zum anderen neigen diese Nutzer dazu, eine
wesentlich größere Zahl an Kommentaren zu verfassen. Dieses
Verhalten mag maßgeblich mit dem Charakter der PEGIDA-Bewegung als
ad-hoc-Bewegung oder auch mit der emotionalen Aufladung der Inhalte
zusammenhängen.
Am ersten Tag schuf PEGIDA die Bindung, am zweiten den politischen Gegner
Dachten Sie bis heute, dass PEGIDA von
Anfang an gegen Merkel und Co. Stimmung machten? Dass die
PEGIDA-Macher eine eindeutige Sprache nutzten um den politischen
Feind mit allem negativen in Verbindung zu bringen beziehungsweise zu
framen? Dem war nicht so. Vielmehr verwendete die Bewegung erst mit
der gestiegenen Zuwanderung an Flüchtlingen im Herbst 2015 bestimmte
Schlüsselworte häufiger. So steigt die Verwendung der Begriffe
Politik, Europa/EU und Flüchtling erst Monate nach der Gründung von
PEGIDA, der Name (Angela) Merkel findet erst ab September 2015
häufigeren Gebrauch.
Abbildung 3: Vergleich der Teilnehmerzahlen der PEGIDA-Demonstrationen und
Nennungshäufigkeit der meistgenutzten Worte, Skalierung angepasst
Anders ist das bei selbstreferenziellen
Begriffen und Hashtags, wie #dresdenzeigtwiesgeht oder
#montagistpegidatag. Die Verwendung und Palette solcher Schlagworte
steigt zwar ebenfalls im Laufe der Zeit an, wurde aber bereits seit
der Gründung von PEGIDA stärker eingesetzt.
Von der Straße ins Netz und zurück
Das Resümee: wer einst pegida.de im
Internet aufrief, wurde direkt zur Facebook-Präsenz der Bewegung
weitergeleitet. Die Macher forcierten von Beginn an eine ausgeprägte
Kommunikation in diesem sozialen Netzwerk. Dort erreichte man eine
große Menge an Sympathisanten. Der Facebook-Auftritt selbst erfüllte
verschiedene Zwecke. So konnte PEGIDA Inhalte gezielt in der
digitalen Wirklichkeit ihrer Fans platzieren (Filterblaseneffekt).
Außerdem wurde der abstrakte Charakter einer Bürgerbewegung in
einer interaktiven und ständig verfügbaren Plattform aufgelöst, an
der jeder Sympathisant partizipieren und Teil werden konnte. Das
Identifikationsgefühl der PEGIDA-Gruppierung wurde somit nicht nur
während der Demonstrationen gebildet, sondern konnte darüber hinaus
bei Facebook gestärkt oder angeregt werden. Diese gegenseitige
Abhängigkeit – von Demonstration und Facebook-Aktivitäten –
wurde statistisch nachgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass die
Menschen, die sich an einer Demonstration beteiligt haben, bei
Facebook eine Verlängerung ihres Engagements und
Gemeinschaftsgefühls fanden. Im Umkehrschluss haben die
Facebook-Aktivitäten die Bereitschaft zur neuerlichen
Demonstrations-Teilnahme aufrechterhalten.
Die politische Aktivierung in sozialen
Netzwerken ist folglich möglich. Besonders ausgeprägt scheint
dieser Effekt zu wirken, wenn eine persönliche Identifikation der
Fans mit dem politischen Akteur, in diesem Falle der Bürgerbewegung,
erfolgt. Dieses Zugehörigkeitsgefühl kann on- und offline sowie im
Wechselspiel gebildet werden.
Autor
Christopher Gaube (Foto: Elena Heymann) |
Ich bin damit einverstanden!
AntwortenLöschenI am freelancer and daily I saw some fake news on social media, and there are some trustable platform, where I can get real news.
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AntwortenLöschenThe ongoing demos by PEGIDA on Facebook underscore the platform's role in modern mobilization. Facebook serves as a powerful tool for PEGIDA, enabling widespread communication and coordination among its supporters. Through targeted posts, live streaming, and engagement tactics, PEGIDA leverages Facebook to amplify its message and rally like-minded individuals. The platform's accessibility and reach contribute significantly to PEGIDA's ability to mobilize and organize events. As the demos persist, the intricate dance between social media and real-world activism unfolds, illustrating the profound impact of digital platforms on shaping and mobilizing public sentiment.
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